Ursula Pidun


Grundrente darf keine erweiterte Sozialhilfe sein

Nach den sinnvollen Vorschlägen von Hubertus Heil (SPD) zu einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung für langjährig Versicherte der Deutschen Rentenversicherung zeigt sich die Union wenig begeistert. Sie will Menschen, die Jahrzehnte eingezahlt haben, mittels kleinem Aufschlag auch weiterhin im Sozialhilfesystem gefangen halten.

Grundrente

Ratlos und abgehängt: Altersarmut in einem der reichsten Länder der Welt.

(Foto: Imaginis/Clipdealer.de

Der vorgeschobene Grund: Es könnten auch Privilegierte, wie etwa die legendäre „Zahnarzt-Gattin“ in den Genuss dieser Rente kommen. Diese Form der Argumentation greift allerdings nicht und ist lediglich Zeichen dafür, dass viele Unionsmitglieder die dahinterstehende Theorie – zumindest bisher – noch nicht begriffen haben, es vielleicht auch gar nicht wollen. Es geht darum, eben genau diese Klientel zu Recht aus der Sozialhilfe herauszunehmen und die Grundrente als Anspruch zu deklarieren.

Die Grundrente ist nur dann eine Rente, wenn sie ohne Bedürftigkeitsprüfung als anerkannte Leistung gezahlt wird. Ansonsten handelt es sich lediglich um erweiterte Sozialhilfe. Es versteht sich von selbst, dass bei einer echten Grundrente auch die jahrzehntelangen Einzahlungen einer „Zahnarzt-Gattin“ berücksichtigt werden müssen. Schließlich handelt es sich um eigens erworbene Ansprüche. Alles andere würde von den Gerichten wieder einkassiert.

Rentenreform hat ein Desaster kreiert

Es macht den Anschein, dass es der Union gar nicht darum geht, eine vernünftige Grundrente auf den Weg zu bringen. Augenscheinlich will sie sich einer lästigen Aufgabe entledigen und dies so günstig wie möglich. Es wird an einem Placebo und damit an einer Scheinlösung für die hausgemachte Rentenschieflage gewerkelt. Damit nimmt die Union unter anderem auch billigend in Kauf, dass ein gewichtiger Teil Anspruchsberechtigter gar keinen Antrag auf Sozialhilfe stellen wird.

Dies einzukalkulieren ist beinahe schon zynisch und hat mit einer Anerkennung jener Bürger, die dem Arbeitsmarkt jahrzehntelang zur Verfügung standen, Kinder erzogen und/oder Angehörige gepflegt haben, nichts zu tun. Immerhin gab es die Aufwertung der Rentenpunkte in Grundzügen bereits seit 1972. Dies wurde zu Zeiten der Kohl-Regierung 1992 fortentwickelt und ohne Bedürftigkeitsprüfung im Sinne einer Mindestsicherung von den Rentenkassen ausgezahlt. Dabei wurden geringe Renten aufgestockt, sofern 25 Versicherungsjahre nachgewiesen werden konnten. Es war also ein Vorzeigeprojekt der CDU, das jedoch im Rahmen der zu Beginn der 2000er Jahre initiierten Rentenreform, die Teile der Kosten der Wiedervereinigung decken sollte, ebenso rigoros einkassiert wurde, wie andere wichtige Elemente der Rentenkasse.

Gesetzlich Rentenversicherte als Bürger zweiter Klasse

Ein Prozedere, das als eklatanter Eingriff in die Eigentumsrechte der gesetzlich Rentenversicherten gewertet werden kann. Dazu noch einseitig, also ohne gleichzeitigen Eingriff in die Rentenansprüche von Beamten. Damit wurden gesetzlich Versicherte der Rentenversicherung zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Diese Schieflage nunmehr zumindest ein wenig geradezurücken, sollte oberste Priorität erhalten und zwar noch vor einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Die Gründe:

  • Mit Bedürftigkeitsprüfung handelt es sich nicht um eine Grundrente, sondern lediglich um erweiterter Sozialhilfe. Somit werden auch langjährig Versicherte weiterhin zu Sozialhilfeempfängern herabgestuft.
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  • Für Betroffene führt dies zu besonders negativen Effekten. So müssen sie etwa als Bittsteller zum Sozialamt und sämtliche Vermögenswerte offenlegen. Dies, obwohl sie jahrzehntelang in die Rentenkasse eingezahlt haben.
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  • Betroffene, die Grundrente im Sinne einer erweiterten Sozialhilfe erhalten, können nicht bzw. nur sehr wenig hinzuverdienen, da praktisch alles gegengerechnet wird. Kein Anreiz also, dass dieser Personenkreis auch weiterhin berufstätig sein wird, so wie es auch von der Wirtschaft erwünscht ist.
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  • Betroffene können sich darüber hinaus nicht für das viel gepriesene freie europäische Aufenthaltsrecht entscheiden, falls sie im Alter den Wohnort in ein anderes EU-Land verlegen wollen. Denn Grundsicherungsleistungen sind nicht Transfer-fähig. Damit werden die Freiheitsrechte dieses Personenkreises ebenfalls deutlich eingeschränkt.
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  • Gleichzeitig stellt sich die Rentenkasse selbst zur Disposition. Wenn Bürger, die jahrzehntelang in die Rentenkassen eingezahlt haben, weiterhin wie Sozialhilfeempfänger behandelt werden, sendet dies fatale Signale an die jüngere Generation. Renteneinzahlungen verfehlen damit den Sinn.

Lautes Veto von Profiteuren des Systems

Ein wenig Sozialhilfe mehr also (im Gespräch sind 10 Prozent über dem Grundsicherungsbetrag) und dies auch nur im Falle der Bedürftigkeit: Ob die Union damit punkten kann, werden die nächsten Wahltermine zeigen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung jedenfalls ist laut einer aktuellen Umfrage für eine Grundrente, die diesen Namen tatsächlich verdient.

Schließlich noch einige klare Worte zu den lauten Stimmen von Politikern, wie etwa Christian Lindner (FDP), Hermann Gröhe (CDU), Peter Altmaier (CDU), Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere, die mit dem Wort „ungerecht“ und „nicht finanzierbar“ allzu leichtfertig herumpoltern. Politiker in Staatsämtern und Angehörige des Bundestages erhalten in relativ kurzer Zeit sehr hohe Rentenansprüche, ohne auch nur eine einzigen Cent dafür einzuzahlen. Die so gebetsmühlenartig und lautstark verkündete Formel: „Höhe plus Zeitraum der Einzahlung = Rentenleistung“ fällt damit wie ein Kartenhaus in sich zusammen und die Glaubwürdigkeit von Politikern, die mit dieser These auf Beifall hoffen, gleich mit.