Bundestagsparteien erhielten 90,6 Millionen
Die Bundestagsparteien haben 2017 knapp 90,6 Millionen Euro Spenden erhalten, davon kamen fast 26 Millionen Euro von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Hauptprofiteur waren abermals CDU/CSU, die knapp die Hälfte der Gesamtspenden und zwei Drittel der Unternehmensspenden kassierten.
Die genannte Zahlen geht aus den heute veröffentlichten Rechenschaftsberichten der Parteien hervor. en finden Sie hier). Die Gesamtsumme der Zuwendungen aus der Wirtschaft dürfte allerdings deutlich höher sein, da die Parteien ihre zum Teil beträchtlichen Einnahmen durch Sponsoring nicht konkret ausweisen müssen. Zudem profitierte die AfD 2017 von verdeckten und höchstwahrscheinlich illegalen Geldflüssen, die sie in ihrem Bericht nicht auflistet. LobbyControl fordert, die private Parteienfinanzierung in Deutschland stärker zu regulieren und transparenter zu machen.
Hohes Aufkommen in Wahljahren
Traditionell fließen in wichtigen Wahljahren besonders viele Parteispenden. 2017 wurden neben dem Bundestag auch die Landtage in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Schleswig-Holstein neu gewählt. 2017 bekamen die Parteien 90,6 Millionen Euro, das ist ein Anstieg von 48,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein Plus von neun Prozent gegenüber der Bundestagswahl 2013. Zusammen erhielten CDU und CSU über 45 Millionen Euro, knapp die Hälfte der Gesamtspenden. Die FDP legte gegenüber der Bundestagswahl 2013 kräftig zu (von 10,9 auf 15 Millionen) und landet erstmals auf Platz 2 mit über 15 Millionen Euro. Die SPD bekam 14,5 Millionen , die AfD 7,4 Millionen, die Grünen 5,8 Millionen und die Linke 2,6 Millionen Euro.
Auch bei den Spenden aus der Wirtschaft haben die Konservativen die Nase vorn: zwei von drei Spendeneuros gingen an die Union (17 Millionen Euro). Die FDP liegt mit 4,6 Millionen Euro (17,8 Prozent) vor SPD (3,1 Millionen) und Grünen (0,9 Millionen Euro). Damit gingen vier von fünf Spendeneuros aus der Wirtschaft, darunter viele Großspenden über 50.000 Euro, an das schwarz-gelbe Lager.
LobbyControl fordert Obergrenzen
„Die hohen Geldflüsse an die Parteien verzerren den politischen Wettbewerb und untergraben das demokratische Prinzip, nach dem jede Stimme gleich viel zählen soll. Deshalb gibt es in vielen Ländern Obergrenzen für Parteispenden. Auch Deutschland sollte Spenden über 50.000 Euro verbieten“,
fordert Annette Sawatzki von LobbyControl.
Ein weiteres Problem sind zu hohe Transparenzschwellen. So müssen Spenden erst ab 10.000 Euro mit zeitlicher Verzögerung in den Rechenschaftsberichten namentlich aufgeführt werden.
„Die mangelnde Transparenz begünstigt Korruption, da sie förmlich dazu einlädt, Parteispenden zu stückeln und durch Strohmann-Systeme zu anonymisieren. Anschaulich wird dies aktuell im Strafprozess gegen den ehemaligen Regenburger Oberbürgermeister und einen Bauunternehmer“,
sagt Sawatzki.
LobbyControl fordert deshalb, Parteispenden über 10.000 Euro sofort nach Zahlungseingang zu veröffentlichen und in den Rechenschaftsberichten alle Geldgeber ab 2.000 Euro namentlich aufzuführen.
Schlupfloch 1: Sponsoring
Weitere umfangreiche private Geldflüsse werden in den Rechenschaftsberichten eher verschleiert als transparent gemacht. Dazu gehört insbesondere das bei Konzernen und Verbänden immer beliebtere Parteisponsoring. Dabei zahlen Unternehmen wie VW oder BMW Geld an die Parteien, um bei diesen für sich und die eigenen Lobby-Anliegen werben zu können. In den Rechenschaftsberichten sind diese Zahlungen anonymisiert in verschiedenen Sammelposten versteckt.
„Das intransparente Sponsoring widerspricht eindeutig dem Geist des Grundgesetzes, wonach Parteien über ihre Mittel Rechenschaft ablegen müssen. Doch seit Jahren haben viele Parteien mit dem Sponsoring eine Art „Gewohnheitsrecht“ auf hinter den Kulissen einzusammelnde Lobbygelder etabliert. Das ist inakzeptabel.“
Schlupfloch 2: Drittkampagnen/ Wahlkampffinanzierung durch Dritte
Ein weiterer brisanter Punkt ist die verdeckte Wahlkampffinanzierung durch Dritte. So finanzieren anonyme Großspender seit Jahren ganze AfD-Wahlkampagnen. Allein im NRW-Wahlkampf wird der geldwerte Vorteil der AfD durch die anonym finanzierten Maßnahmen auf rund vier Millionen Euro geschätzt. Für die Bundestagswahl war die Plakatkampagne noch größer. Im Rechenschaftsbericht taucht dieser Posten jedoch nicht auf.
Dabei ist inzwischen belegt, dass es enge Kontakte zwischen dem Verein, der die Wahlwerbung organisierte, und der AfD gab. Für den Bundestagswahlkampf hat der Verein etwa AfD-Kreisverbänden kostenlos das Boulevardblatt „Deutschland-Kurier“ als Wahlkampf-Material überlassen. Die Kosten dafür hat die AfD nicht in den Rechenschaftsbericht aufgenommen, sondern verweist nur auf eine laufende Prüfung durch die Bundestagsverwaltung.
„Der AfD-Rechenschaftsbericht zeigt nochmals deutlich, dass die AfD die WählerInnen und den Bundestag über ihre wahren finanziellen Hintermänner im Unklaren lässt. Das betrifft auch verdeckte Wahlkampfhilfe für Jörg Meuthen 2016, für Guido Reil 2017, die Spenden an den Kreisverband von Alice Weidel und die Unterstützung durch die PR-Agentur Wordstatt in 2013. Keiner dieser Fälle wird in dem Rechenschaftsbericht der AfD aufgeklärt. Geradezu dreist ist es, dass die AfD diese Fälle alle nur anonym darstellt. Die Partei will der Öffentlichkeit in Bezug auf ihre Finanzierung offenbar weiter Sand in die Augen streuen,“
so Sawatzki
Hintergrund
Transparenz bei Parteispenden: Spender tauchen namentlich erst ab 10.000 Euro in den Rechenschaftsberichten auf. Aus Sicht von LobbyControl ist das ein Problem, denn auch vierstellige Beträge – vor allem auf kommunaler Ebene – können erhebliches Gewicht haben.
Parteisponsoring: Sponsoreinnahmen verstecken sich in den Rechenschaftsberichten unter verschiedenen Sammelposten („Einnahmen aus Veranstaltungen und Publikationen“ sowie „Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit und Beteiligungen“). Wer wie viel gezahlt hat, geht nicht daraus hervor.
Während die Linkspartei keine Sponsorengelder annimmt, veröffentlichen die Grünen seit 2012 freiwillig die Sponsorzahlungen bei ihren Bundesparteitagen. Die SPD veröffentlicht als Konsequenz aus dem „Rent-a-Sozi“-Skandal seit 2018 jährlich eine Liste mit Sponsoreinnahmen, die unmittelbar dem Bundesvorstand zuflossen. CDU, CSU und FDP machen dazu keine Angaben.
Frühere LobbyControl-Recherchen haben belegt, dass Sponsorgelder mitunter die Spendensummen übersteigen. So ließ der Tabakkonzern Philip Morris allein der CDU im Jahr 2015 nach eigener Auskunft 100.000 Euro zukommen – 85 Prozent davon durch Sponsoring. Zahlen für die Jahre nach 2015 hält Philip Morris bisher unter Verschluss. Volkswagen gab nach LobbyControl-Recherchen von 2014 bis 2017 insgesamt 656.260 Euro für Parteisponsoring aus– das ist im Jahresdurchschnitt rund viermal so viel wie VW zuvor spendete. Auch hier hat der Konzern bisher keine aktuellen Zahlen veröffentlicht.