Zentrum für Politische Schönheit bringt Flüchtlingstote zum Kanzleramt
Europas Grenzen sind die tödlichsten Grenzen der Welt. Jahr für Jahr gibt es Tausende Tote. Aber was geschieht eigentlich mit den Toten an den Außengrenzen? Die Opfer der militärischen Abriegelung werden massenhaft verscharrt. Sie tragen keine Namen. Sie bekommen keine Blumen. Und ihre Angehörigen werden nicht ermittelt. Das Zentrum für Politische Schönheit will das mit seiner jüngsten und radikalsten Aktion ändern und den toten Einwanderern Europas die letzte Ehre erweisen.
In Hinblick auf radikale Aktionskunst gehen die Akteure des „Zemtrums für Politische Schönheit“ seit jeher nicht zimperlich vor. Erst Ende 2014 stieg der Bekanntheitsgrad beträchtlich. Anlass waren die Mauerkreuze vor dem Marie-Elisabeth-Lueders-Haus am Spreeufer. Die Künstler entwendeten sie und transportierten die Mauerkreuze in die Enklave Melilla nahe der EU-Außengrenze. Damit legten sie schon damals den Fokus auf eklatante Missstände in der europäischen Flüchtlingspolitik. In den kommenden Tagen nun werden Menschen, die auf dem Weg in ein neues Leben ertrunken oder verdurstet sind, nach Berlin kommen. Sie werden aufgebahrt, ausgestellt und der Bevölkerung auf diesem Weg sichtbar gemacht.
Kleintranspoter mit Leichen
Tatsächlich ist am vergangenen Freitag nahe München ein Kleintransporter angehalten und kontrolliert worden, in dem sich auch zwei Leichen in Särgen befanden, bestätigt die Polizei in Ingolstadt. Die Särge seien inzwischen auf dem Weg nach Berlin, erklärte ein Polizeisprecher. Da die Fahrer über notwendige Papiere verfügten, konnten sie ungehindert weiterfahren.
„Gemeinsam mit den Angehörigen haben wir 10 menschenunwürdige Grabstätten geöffnet und die Toten exhumiert. Sie sind jetzt auf dem Weg nach Deutschland“,
erklärt Philipp Ruch, Chefunterhändler des Zentrums. Der Eskalationsbeauftragte Stefan Pelzer fügt hinzu:
„Nach dem Willen des deutschen Innenministers sollten die Toten unsichtbar bleiben. Wir schaffen Abhilfe und bringen sie ins Zentrum der Macht: in das Berliner Regierungsviertel.“
Opfer unerträglicher Abschottungspolitik
Die Opfer der Abschottungspolitik werden im Herzen Europas – im mächtigsten Mitgliedsstaat der EU – menschenwürdig bestattet. Ihr Tod kann nicht rückgängig gemacht werden. Aber ihre sterblichen Überreste können Europas Mauern zu Fall bringen. Europa ist ein Einwanderungskontinent.
„Der Aktion gingen die intensivsten Recherchen seit Bestehen des Zentrums für Politische Schönheit voraus. In den vergangenen Monaten haben wir fünf EU-Außengrenzen besucht, die Angehörigen von Flüchtlingen ermittelt, Massengräber besichtigt und Kühlhäuser inspiziert. Die Zustände vor Ort sind Europas Schande. Die Toten werden weggeworfen wie Müll,“
so Paul Stauffenberg.
„Marsch der Entschlossenen“ in Berlin
Am 16.06. 2015 um 10 Uhr will das Zentrum für Politische Schönheit eine Mutter und ihr zweijähriges Kind auf dem Muslimischen Friedhof in Berlin-Gatow, Maximilian-Kolbe-Str. 6, 14089 Berlin bestatten. Zudem sind weitere Aktionen geplant. So planen die Akteuere am 21.06.2015 um 14 Uhr einen „Marsch der Entschlossenen“ und bringt Tote zum Kanzleramt, um sie direkt vor den politischen Entscheidungsträgern zu beerdigen. Der Vorplatz des Kanzleramtes soll so in eine Gedenkstätte der besonderen Art verwandelt werden: in einen Friedhof für die „unbekannten Einwanderer“. Angeführt von drei Baggern treten Entschlossene einen stillen Marsch zum Kanzleramt an, um dort die Grundsteine für den neuen Gedenkfriedhof aufzustemmen. Weitere Infos hierzu auf der Webseite „Die Toten kommen“.
Über das Zentrum für Politische Schönheit
Das Zentrum für Politische Schönheit ist eine Berliner Menschenrechts- und Aktionskünstlergruppe, die zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die Mauerkreuze aus dem Regierungsviertel an die europäischen Außengrenzen entführte und damit „Die wohl wichtigste und unbequemste Gedenkaktion des Jahres!“ (Die Zeit) anzettelte. 2014 initiierte sie im Namen der Bundesregierung eine Rettungsaktion für 55.000 syrische Flüchtlingskinder. Für die neueste Aktion recherchierte das Zentrum an den Außengrenzen der EU: auf italienischen Inseln, im griechischen Hinterland und in zwei nordafrikanischen Staaten.
Header-Foto: Manuel Ruge / Zentrum für Politische Schönheit