Führt Inflation zu sozialer Ungleichheit?
In seinem Aufsatz "Money Inflation’s Effect on Wealth Inequality"aus dem Jahr 2008 untersuchte der Ökonom Zoran Balac die Auswirkungen der Inflation auf die Vermögens-Verteilung. Die ungleiche Vermögensverteilung ist oft der Ausgangspunkt für die Kritik an der Marktwirtschaft.
Die meisten Studien zu diesem Thema legen den Fokus auf Fragen der Bildung und sozialen Differenzierung. Die Wirkung der Geldmengenzunahme wird hingegen selten in den Blick genommen.
Neutralität des Geldes?
Nach der etablierten ökonomischen Sichtweise hat eine Zunahme der Geldmenge keine Auswirkung auf die Einkommensverteilung, da diese davon ausgeht, dass die Preise gleichmäßig ansteigen und deshalb die Vermögen vom Effekt der Inflation gleichmäßig betroffen sind. Das setzt aber zwei Annahmen voraus: Dass der Anteil des Geldes am Vermögen bei allen etwa gleich groß ist und dass alle über das gleiche Informationsniveau verfügen.
Die Wirkung der Inflation ist oft nicht vorhersehbar
Der Autor wendet sich gegen diese Sichtweise, dass die Zunahme der Geldmenge alle Akteure gleichmäßig betreffe, wie Milton Friedman argumentiert hatte. Die Inflation sei kein plötzlicher Vorgang, im Sinne eines einmaligen Anstiegs der Preise, sondern ein Prozess, der sich nach und nach durch die Volkswirtschaft frisst. Deshalb werde die Wirkung der Inflation, anders als Lucas erklärt hatte, vom größten Teil der Bevölkerung für lange Zeit nicht antizipiert.
Wohlhabende Bürger können früher reagieren
In der Regel sei es ein kleiner Personenkreis, der über die neuen Geldmittel als erster verfügt und das zu seinem Vorteil nutzen kann. Da wohlhabende Bürger in der Regel besser informiert sind und die Inflation früher voraussehen und dementsprechend ihr Vermögen früher umschichten können als kleine Sparer und über die Banken Personen mit Zugang zu großen Kreditsummen als erste an den größten Teil der neuen Geldmenge kommen, vergrößere über die geldpolitische Umverteilung die Ungleichheit der Vermögensverteilung.
Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Vermögensverteilung
Balac unternahm nun in der Studie den Versuch, den Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Vermögensungleichheit zu messen und verwendet dafür Daten der für die Vermögensverteilung allgemein als relevant betrachteten Größen wie Wirtschaftswachstum, Staatsausgaben und die Entwicklung der Bildungsabschlüsse. Er kombiniert diese mit den Zahlen für das Geldmengenwachstum, um zu errechnen, welcher dieser Faktoren den größten Einfluss auf die Wohlstandsverteilung ausübt.
Inflation wirkt so stark wie Bildungsunterschiede
Wie erwartet, weil in vielen anderen Studien gemessen, ergibt sich ein starker Zusammenhang zwischen Wohlstandsverteilung und Bildungsabschlüssen. Doch die Geldmenge erweist sich als fast ebenso relevanter Faktor. Eine Veränderung der Geldmenge von einem Prozent ergibt demnach eine ebenso starke Wirkung wie eine Veränderung der Highschool-Abschlüsse von einem Prozent. Der Autor sieht deshalb einen Konflikt zwischen der Sozialpolitik, die auf eine Begrenzung der wirtschaftlichen Ungleichheit abzielt, und der Politik des leichten Geldes, die diese Ungleichheit erhöht.
Quantitätsgleichung
Preisstand (P) = Geldmenge (G) x effektive Umlauffrequenz (fu) / Warenmenge (W)
Zunächst einmal hält nicht alles Geld Nachfrage…(weil) das Geld in seiner jetzigen Form nicht nur Tauschmittel, sondern zugleich Sparmittel (Wertaufbewahrungsmittel) ist. Man kann es ohne Verlust am Nennwert horten (in bar oder auf Girokonten liquide halten), was man mit den Waren …nicht tun kann. …Sodann unterscheidet sich das Geld von den Waren dadurch, dass die Waren nach Verlassen des Marktes entweder in den Verbrauch gehen oder – als Anlagegüter – zur Produktion zurückkehren, während das Geld wieder auf den Markt gelangt. Wie man die Waren einem Strom vergleichen kann, der den Markt passiert, gleicht das Geld einem Schöpfrad, das umso mehr Wasser transportiert, je schneller es sich dreht. Die effektive Umlauffrequenz fu des Geldes ist also … von großer Bedeutung. Dabei ist gehortetes Geld solches mit fu = Null.
…Auf dem Markt kann nicht mehr Geld erscheinen, als in Verkehr gesetzt worden ist. Allerdings kann man nicht verhindern, dass Teile der ausgegebenen Geldmenge gehortet werden. Man hat auch die effektive Umlauffrequenz (fu = BIP / Zentralbank-Geldmenge) nicht in der Hand. Nur wenn man die Kaufkraft des Geldes ständig pendeln lässt (Währungspfusch), kann man darauf einen Einfluss nehmen. …Steigende Preise reizen die Kauflust, fallende lähmen sie. Die Kauflust ihrerseits ist der wesentlichste Motor der Umlauffrequenz des Geldes.
Erreicht man also durch Veränderung von G eine Bewegung von P, so ändert sich fu entsprechend. Dieser – nicht ungefährliche – Mechanismus versagt aber bei stabiler Kaufkraft, die doch das Ideal sein sollte. Nun wird allerdings vielfach bezweifelt, ob stabile Kaufkraft volkswirtschaftlich wünschenswert ist. Eine Währungspolitik, welche die Preise in leichter Aufwärtsbewegung hält (schleichende Inflation), hat sich als recht erfolgreich erwiesen. Wie das kommt, wird am ehesten klar, wenn man vom Gegenteil, der allmählichen Preissenkung, ausgeht. …Alle Käufe, die nicht dem dringlichen Bedarf dienen, werden bei sinkenden Preisen verzögert in der Hoffnung, durch Ausnutzung des Preisfalls Gewinne zu erzielen. Das hat Absatzstockungen und Arbeitslosigkeit zur Folge. …So populär die Forderung nach Preissenkung ist, so nachdrücklich muss eine verantwortungsbewusste Wirtschaftspolitik sie gerade im Interesse der Arbeiterschaft ablehnen. Erhält man die Preise stabil, so kann einem die Hortbarkeit des Geldes leicht einen Streich spielen. …Nun kann man die Hortung ausgleichen durch Ausgabe neuen Geldes an Stelle des gehorteten. Das wird aber in dem gleichen Augenblick gefährlich, wenn durch irgendwelche Einflüsse … das gehortete Geld zum Vorschein kommt. Dann laufen die Preise leicht davon, bevor man durch Geldeinzug die Entwicklung bremsen kann.
Stehen wir hier vor einem ausweglosen Dilemma der Marktwirtschaft?
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/01/geldtheorie.html