Abschwung: Der Rezessionsspuk wird realer
Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im zweiten Quartal 2019 leicht gesunken. Für das Sommerhalbjahr sieht es nun stark nach einer technischen Rezession aus. Unsere BIP-Prognose für 2019/20 haben wir auf 0,5/0,7 % gesenkt. Die Schwelle zur klassischen Rezession ist niedrig. Eine Kommentierung von Dr. Alexander Krüger.
Das Statistische Bundesamt hat heute gemeldet, dass das deutsche BIP im zweiten Quartal 2019 um 0,1 % gegenüber dem Vorquartal gesunken ist. Durch die Rückkehr in das trübe Fahrwasser vom zweiten Halbjahr 2018 ist somit nach dem starken Jahresauftakt (+0,4 %) wieder Ernüchterung eingekehrt.
Wirtschaftsleistung stagniert
Gegenüber dem Vorjahresquartal hat die Wirtschaftsleistung kaum noch zugenommen (+0,4 %). Die BIP-Entwicklung positiv beeinflusst haben laut Bundesamt die privaten und öffentlichen Konsumausgaben sowie die Investitionen (nicht: Bauten). Der Außenhandel bremste die Wirtschaftstätigkeit. Zum BIP-Rückgang beigetragen haben dürfte generell auch, dass britische Vorratskäufe aus Sorge vor einem harten Brexit im März gefallen sind.
Für das EWU-Schwergewicht Deutschland gibt es aus unserer Sicht wachstumsseitig nichts zu beschönigen: Aus dem einstigen Musterknaben ist ein Sorgenkind geworden. Neben der zyklischen Abschwächung der Weltwirtschaft, insbesondere in China, ist es zurzeit der sich hochschaukelnde globale Handelskonflikt, der Wachstumseinbußen vor allem für exportorientierte Länder mit sich bringt. Dämpfend wirken auch der unklare Brexit-Ausgang und die gewachsenen geopolitischen Spannungen.
Technische Rezession
All diese Faktoren dürften die Wirtschaftstätigkeit, zunehmend in Schlüsselindustrien, nun auch im zweiten Halbjahr 2019 belasten. Wegen der negativen Einflüsse von der Außenwirtschaft und den Investitionen rechnen wir für das laufende Quartal daher mit einem erneuten leichten BIP-Minus. Damit läge eine technische Rezession vor. Unsere BIP-Prognosen für 2019/20 haben wir von 0,7 bzw. 1,2 auf 0,5 bzw. 0,7 % gesenkt. Ohne die Aufwärtsrevision des vierten Quartals 2018 wäre erstere noch niedriger ausgefallen. Die Nettoleistung für 2020 liegt abzüglich des ungewöhnlich hohen Kalendertageeffekts von 0,4 Prozentpunkten nur bei 0,3 %.
Autozölle Mitverursacher für Rezession
Die Abwärtsrisiken für unsere BIP-Prognosen beurteilen wir als immens. Es besteht nicht nur die Gefahr einer sich schneller als erwartet abwärts drehenden Spirale, von der insbesondere die Binnenwirtschaft stärker erfasst wird. Vor allem auch die im Raum stehenden US-Autozölle für die EU besitzen das Potenzial, die Wirtschaft in eine klassische Rezession zu stürzen.
Die jüngsten EU-Signale für ein zollseitiges Entgegenkommen sind für uns kein Entspannungszeichen. Vielmehr befürchten wir, dass US-Präsident Donald Trump die Konjunkturschwäche in Europa erst recht nutzen wird, um Maximalforderungen durchzusetzen. So oder so: Die Schwelle zu einer klassischen Rezession ist niedrig. Im Eventualfall wird sie aus unserer Sicht die Fiskalpolitik auf den Plan rufen. Wunderdinge erwarten wir uns davon aber nicht.
Verweise:
- Interview mit Dr. Alexander Krüger:
Die Enteignung findet bereits statt