Franziska Giffey (SPD) und die „amerikanische Zitierweise“
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht sich hinsichtlich ihrer Doktorarbeit Plagiatsvorwürfen ausgesetzt. Nun tritt sie mit einem Gutachten ihres Anwalts in die Gegenoffensive. Eine "amerikanische Zitierweise“ soll die Vorwürfe entkräften. Zu Recht? Nachgefragt! Im Gespräch mit Prof Dr. Gerhard Dannemann.
Plagiatsvorwürfe haben schon Politiker wie Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Silvana Koch-Mehrin (FDP), Annette Schavan (CDU) und andere in große Bedrängnis gebracht. Am Ende umfassender Prüfungen wurde ihnen der Doktortitel aberkannt und auch die jeweiligen Karrieren fanden ein schnelles Ende. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will die gegen sie erhobenen Plagiatsvorwürfen nunmehr mit einer „amerikanische Zitierweise“ entkräften, die hier zur Anwendung kam.
Wodurch unterscheidet sich diese Zitierweise, ist sie an deutschen Hochschulen üblich und anerkannt und kann sie ggf. auch unzulängliche Angaben zu Quellangaben legitimieren? Wir fragen Prof. Dr. Gerhard Dannemann. Der Experte ist Professor für Englisches Recht sowie britische Wirtschaft und Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Daneben beteiligt er sich an VroniPlag Wiki, einem Wiki, in dem Hochschulschriften auf Plagiate überprüft werden.
Herr Dannemann, Familienministerin Franziska Giffey (SPD) begegnet den aktuell gegen sie gerichteten Plagiatsvorwürfen hinsichtlich ihrer Doktorarbeit mit einem Gutachten ihres Anwalts. Dort ist von einer „amerikanischen Zitierweise“ die Rede. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Es gibt keine einheitliche Zitierweise in den USA. Verbreitet sind die Zitierregeln der Modern Languages Association (MLA), der American Psychological Association (APA) und der Chicago University Press.
Sind diese Zitierregeln an deutschen Hochschulen vollumfänglich anerkannt und worin liegt der Unterschied zu herkömmlichen bzw. anderen Verfahren?
Insbesondere MLA-, aber auch APA-Zitierregeln werden in einigen Fachrichtungen auch an deutschen Hochschulen eingesetzt. Beide geben die Quellen im Fließtext anstatt in Fußnoten an. Sie basieren aber auf denselben drei Grundregeln, die weltweit gelten dürften: 1. Alle verwendeten Quellen müssen dort, wo sie verwendet wurden, angegeben werden. 2. Wörtlich übernommener Text ist als Zitat zu kennzeichnen; sinngemäß gilt das auch für übernommene Bilder und Tabellen. 3. Alle angegebenen Belege müssen selbst überprüft oder andernfalls entsprechend („zitiert nach“) gekennzeichnet werden.
Auf der Wissenschaftsplattform „VroniPlag“ lässt sich nachlesen, dass auf mehr als jeder dritten Seite der Doktorarbeit von Franziska Giffey Plagiatstext entdeckt wurde. Eine Seite der Arbeit soll zudem zu mehr als Zweidritteln aus fremden Texten bestehen. Es ist schwer vorstellbar, dass es wissenschaftliche Zitierweisen geben könnte, die ein solches Vorgehen legitimieren?
Das kann ich mir tatsächlich nicht vorstellen.
Verweise auf andere wissenschaftliche Arbeiten seien in Teilen inhaltlich falsch gesetzt worden, heißt es zudem. Auch seien konkrete Seiten in den jeweils zitierten Arbeiten vermeintlich nicht benannt worden. Steht dies alles in irgendeinem Zusammenhang mit den speziellen Zitierregeln?
Die drei genannten amerikanischen Zitierwerke verlangen die Benennung einer genauen Seitenzahl, wo vorhanden, sofern sich der Beleg nicht auf das gesamte Werk bezieht. Das Weglassen von Seitenzahlen ist kein Plagiat, aber es erschwert den Nachweis eines Plagiats. Der Leser muss sich möglicherweise durch mehrere hundert Seiten Text durcharbeiten, um beurteilen zu können, ob sich die getroffene Aussage mit dem angegebenen Werk belegen lässt und ob dieses möglicherweise plagiiert wurde.
Schließlich sollen auch Inhalte anderer wiedergegeben worden sein, ohne die Namen der jeweiligen Autoren zu benennen. Lassen sich unzulängliche Quellangaben durch eine bestimmte Zitierweise legitimieren?
Nein.
Sie waren an der Überprüfung der Dissertation von Franziska Giffey beteiligt. Wenn Sie ein Fazit zu dieser Arbeit ziehen, wie lautet es?
Ich maße mir kein inhaltliches Urteil zu dieser Arbeit an und will auch nicht der Freien Universität Berlin vorgreifen, die derzeit die Arbeit untersucht. Klar ist für mich aber, dass Frau Giffey gegen alle drei der oben genannten Zitierregeln ganz erheblich und wiederholt verstoßen hat.
Ein Plagiatsvorwurf ist für die Karriere eines Politikers/einer Politikerin desaströs. Kann das Gutachten aus Ihrer Sicht und mit Ihrem Kenntnisstand zur Doktorarbeit tatsächlich helfen, den Titel und damit ggf. auch die Karriere der Familienministerin zu retten?
Ich würde die Frage, ob Frau Giffey der Doktorgrad entzogen wird, von ihrer politischen Karriere trennen. Erstens tut es Universitäten nicht gut, wenn sie wie zuvor insbesondere im Fall Schavan einem enormen Druck ausgesetzt werden, sämtliche Augen zuzudrücken und mit allzu laxen wissenschaftlichen Maßstäben eine politische Karriere zu retten. Die Politiker(innen)-Fälle haben dadurch ein enormes Potenzial, wissenschaftliche Maßstäbe zu untergraben.
Zweitens denke ich, dass weder Herr zu Guttenberg noch Frau Schavan über Plagiate in ihren Doktorarbeiten gestolpert sind, sondern über ihren Umgang damit. Herr zu Guttenberg hat noch darauf bestanden, seine Dissertation korrekt und in „mühevollster Kleinarbeit“ angefertigt zu haben, als alle Welt schon sehen konnte, dass er seitenweise abgeschrieben hatte. Und Frau Schavan besteht noch heute darauf, in ihrer Dissertation korrekt die Quellen angegeben zu haben. Das macht eine Wissenschaftsministerin untragbar.
Verweise
PoltitPlag: „Dr. Merkel plagiatsgeprüft plagiatsfrei“
Plagiatsvorwürfe gegen Annette Schavan – Interview mit Gerhard Dannemann
„Jedes Plagiat wird auffliegen“ – Interview mit Uwe Kamenz
PolitPlag: „Mir hat es buchstäblich die Sprache verschlagen“