Konjunktur-Optimismus der EZB bröckelt
Hinsichtlich der Wachstumsrisiken hat die EZB aktuell den Daumen gesenkt. Damit bereitet sie unseres Erachtens eine niedrigere 2019er-BIP-Projektion für die Ratssitzung im März vor. Von einer Leitzinswende später im Jahr hat sich die Notenbank damit aber nicht verabschiedet. Eine Kommentierung von Dr. Alexander Krüger.
Der EZB-Rat hat seine Bewertung der Risiken für das BIP-Wachstum heute einstimmig von „weitgehend ausgeglichen“ abwärts bewegt. Wir sehen diese Risikoadjustierung als überfällig an. Mit ihr dürfte der Rat die Rücknahme seiner 2019er-Wachstumsprojektion auf der Ratssitzung im März vorbereiten. Unserer Einschätzung nach ist diese aus heutiger Sicht mit 1,7 % um mindestens 0,3 Prozentpunkte zu hoch. EZB-Präsident Mario Draghi vermied es auf der Pressekonferenz aber, eine konjunkturskeptische Grundhaltung einzunehmen. Die Ratsmitglieder betonten erneut, dass die Kerninflationsrate lohngetrieben bald zunehmen werde.
Leitzinniveau bleibt vorerst bestehen
Nicht verändert hat der EZB-Rat seinen geldpolitischen Ausblick. Darin geht er davon aus, dass die Leitzinsen „mindestens über den Sommer 2019 (…) auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden“. Hinsichtlich seiner Verfahrensweise mit 2020 auslaufenden Langfristtendern äußerte sich der Rat erneut nicht im Detail. Gleichwohl habe die Diskussion hierüber begonnen, so Draghi. Entscheidungen dürften unseres Erachtens aber bald anstehen, um eine Liquiditätsknappheit 2020 zu vermeiden.
Zinspolitisch läuft es derzeit gegen die EZB. Aufgrund seiner Wertpapierkäufe war der Rat bisher nicht in der Lage, sich auf Basis seit Langem günstiger Fundamentaldaten vom extremen Krisenleitzins verabschiedet zu haben. Nun, wo er die Leitzinserhöhungs-Chance wittert, trübt sich der Wachstumsausblick ein. Dadurch beginnt sich das Zeitfenster für eine Zinserhöhung 2019 zwar zu schließen. Unserer Ansicht nach sind rückläufige Wachstumserwartungen aber nicht bedrohlich. Vielmehr ist die EZB dabei, sich vom Konjunktur-Schlaraffenland zu verabschieden. Einer Leitzinsanhebung im Herbst dieses Jahres steht das nicht im Weg.
Leitzinswende noch nicht in Sicht
Inwieweit Draghi fortan werben wird, dass eine Leitzinsanhebung auch bei geringerer Wachstumsdynamik geboten ist, wird sich zeigen. Denn der EZB-Rat kann diesen Sachverhalt spätestens im Sommer ganz anders bewerten. Er könnte ein trüberes Konjunkturumfeld zum Anlass nehmen und Signale für eine Leitzinswende senden, die später als im Herbst erfolgt. Dies hat Draghi heute auf der Pressekonferenz bereits angedeutet. Wie in unserem Beitrag „EZB-Leitzinswende: 2020 ist keine Alternative“ vom 14.01.2019 argumentiert, hätte dies weitreichendere als von der EZB in Aussicht gestellte Konsequenzen: Da das fundamentale Umfeld 2020 kaum besser sein dürfte als 2019, verschöbe sich die Leitzinswende wohl eher auf 2021.
Verweise:
- Interview mit Dr. Alexander Krüger:
Die Enteignung findet bereits statt