Ursula Pidun


Dirk Niebel (FDP): „Wir lehnen eine staatliche Bad Bank ab“

Im Gespräch mit Dirk Niebel, zu Zeiten, als er noch Generalsekretär der FDP-Bundespartei und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion war. Der Freidemokrat spricht über Politikverdrossenheit und einer bedenklichen Entwicklung zu einer sozialistischen Marktwirtschaft.

Das Super-Wahljahr 2009 hätte für die Freien Demokraten nicht besser starten können. Mit mehr als 16 Prozent ging die FDP als strahlender Gewinner aus der hessischen Landtagswahl hervor. Jener Wahl, die im ersten Anlauf vor einem Jahr keine klaren Verhältnisse schaffen konnte und im Verlauf ein sozialdemokratisches Desaster kreierte, das seinesgleichen sucht. Intrigen, Machtspielchen, Verwirrungen und Verirrungen reizten die Geduld der Bürger bis an die Obergrenze. Und so kam, was kommen musste: Die SPD stürzte bei der Neuwahl auf historische Tiefstwerte und steht nun vor einem Scherbenhaufen. Roland Koch, neuer alter Ministerpräsident freut es. Er bleibt dank künftigem Koalitionspartner FDP im Amt und die Liberalen sind dann bereits in einem fünften Bundesland starker Partner in einer Regierungskoalition.

Doch war Hessen hinsichtlich des außergewöhnlich hohen Ergebnisses der FDP ein flammendgelbes Strohfeuer? Haben sich ratlose und unentschlossene Wechselwähler und enttäuschte CDU-Anhänger nur kurzfristig der FDP zugewandt oder setzt sich ein neuer Trend zu einer liberalen Politik der Mitte durch? Für Letzteres sprechen die enormen Zuwächse. Auch liegen den Bürgern immense Subventionen, die derzeit millionenfach über kränkelnde Banken und Unternehmen geschüttet werden, äußerst schwer im Magen. Unzufriedenheit auch angesichts immer weiter bröckelnder Bürgerrechte, einer mangelnden Akzeptanz der konfusen Umweltmaßnahmen und hinsichtlich des maroden, viel zu komplizierten und ungerechten Steuersystems. All dies lässt viele Bürger nach einer neuen politischen Ausrichtung suchen. Wir haben nachgefragt. Im Gespräch mit Dirk Niebel, Generalsekretär der FDP-Bundespartei und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion über Ankerplätze, Krisen, Politikverdrossenheit und einer bedenklichen Entwicklung zu einer sozialistischen Marktwirtschaft.

Glückwunsch zum beachtlichen Ergebnis in Hessen. Hat sich Roland Koch schon bei Ihnen bedankt?

(Foto: Dirk Niebel)

Die hessischen Liberalen können stolz sein auf ihre Leistung. Wir freuen uns natürlich sehr über diesen gelungenen Start ins Superwahljahr. Aber wir bleiben mit beiden Beinen auf dem Boden. Denn zum Politikwechsel in Deutschland ist es noch ein langer Weg.

Zum Ausruhen bleibt also keine Zeit. Es folgen weitere Landtagswahlen, Kommunalwahlen und schließlich die Bundestagswahl. Wer bei der FDP ankert, kann sich darauf verlassen, dass…

er weiß, woran er ist. Bei uns gilt nach der Wahl, was vorher gesagt worden ist.

Wunschziel von CDU und FDP nach der Bundestagswahl ist eine gemeinsame Koalition. Wird eine tiefgreifende Steuerreform eine wesentliche Forderung bleiben, an der die FDP bei möglichen Koalitionsverhandlungen strikt festhält? 

Allen soll klar sein: Einen Koalitionsvertrag unterschreibt die FDP im kommenden Herbst nur, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart wird. Das ist mit uns nicht verhandelbar.

Wahlbeteiligungen sinken im freien Fall. In Hessen waren es gerade einmal 60,5 Prozent aller Wahlberechtigten, die den Weg zur Urne fanden. Ist das Desinteresse und Politikverdrossenheit oder gibt es auch andere Gründe?

Wenn man sich das vergangene Jahr in Hessen betrachtet, kann man mit Sicherheit von einer besonderen Situation sprechen. Durch Wortbruch und anhaltende Querelen wie in Hessen besteht die Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen in die Politik verlieren. Das beste Mittel dagegen ist, glaubwürdige und verlässliche Politik zu machen. Dann wird auch die Wahlbeteiligung bei den kommenden Wahlen wieder steigen.

Die Welt vereint derzeit vor allem eine Finanz- und Wirtschaftskrise, die ihresgleichen sucht. Praktisch alle Länder sind betroffen und das Ausmaß macht betroffen. Milliarden werden eingesetzt, um das Schlimmste zu verhindern. Steuerzahler werden zu Rettungsengeln, Verluste werden sozialisiert. Andere Lösungsmöglichkeiten würde es nicht geben?

Der Kollaps des Finanzsystems musste verhindert werden – um Arbeitsplätze und die Spareinlagen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Daher hat die FDP dem Rettungsschirm für die Banken als einzige Oppositionsfraktion auch zugestimmt. Man hätte aber auch vieles besser machen können. Wir haben daher schon vor der Verabschiedung des Pakets den britischen Ansatz eines obligatorischen Rettungsschirms befürwortet, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Darüber hinaus müssen die Investitionsbremsen des Staates endlich gelöst werden. Allein im konventionellen Kraftwerksbau würden dadurch etwa 20 Milliarden Euro an privatem Investitionsvolumen frei.

Zusätzlich gibt es Bürgschaften – ebenfalls in Milliardenhöhe. „Wer bürgt, wird gewürgt“, sagt der Volksmund. Wir können vorbehaltlos solche immensen Garantien schultern im Vertrauen darauf, dass diesmal beim Empfänger nichts schiefgeht? 

Bürgschaften gehören zu den unabdingbaren Instrumenten des Rettungsschirms, um die Finanzierung unserer Wirtschaft zu sichern. In der dramatischen Situation für Sparer und Arbeitsplätze musste der Staat eine Vertrauensbasis schaffen. Auf einem anderen Blatt steht, dass es zuvor bei der Bankenaufsicht und schon unter Rot-Grün bei der Hedge-Fonds-Zulassung staatliches Fehlverhalten gab, das die Krise voran getrieben hat.

Ebnen wir mit solchen Maßnahmen tatsächlich den Weg aus der Krise? Oder stolpern wir nicht in andere Krisen, beispielsweise auch in eine nicht mehr überschaubare Schuldenkrise? 

Wenn man Geld ausgibt, dann muss man sich gut überlegen, wofür man es ausgibt. Investitionen in Bildung und Infrastruktur befürworten wir ausdrücklich, weil hier Versäumtes nachgeholt oder vorgezogen wird. Ein Sammelsurium von Strohfeuermaßnahmen – die Abwrackprämie oder der einmalige Kinderbonus zum Beispiel – häuft aber nicht zu verantwortende Schuldenberge für die nächsten Generationen an. Wir brauchen daher unbedingt eine effektive, im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und einen verbindlichen Schuldentilgungsplan, damit wir unseren Kindern und Enkelkindern nicht nur finanzielle Lasten vererben.

Noch kennen wir ja das wahre Ausmaß der Defizite nicht exakt. Ein weiterer Schulden- Höhepunkt könnte in der Schaffung einer sogenannten „Bad Bank“ gipfeln. Also eine weitere, aus Steuergeldern finanzierte Staatsbank, die sich dann mit dem Ankauf fauler Kredite befasst, um den Total-Kollaps zu verhindern? 

Wir lehnen eine staatliche Bad Bank ab. Damit würden Management und Aktionäre aus der Haftung entlassen und der Steuerzahler würde alle Lasten übernehmen. Es ist Sache der Banken selbst, wie sie innerhalb ihrer Verantwortlichkeit Verluste verbuchen.

Wird nicht deutlich genug auf Fehler hingewiesen, die durchaus auch aus einem Staatsversagen resultieren? Die BaFin als aufsichtsführendes Organ etwa oder KfW und Landesbanken, die sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. 

Wir haben vor den absehbaren Folgen des rot-grünen Konstrukts der doppelten Bankenaufsicht damals schon gewarnt, wurden aber überstimmt. Wenn eine so große Finanzaufsichtsbehörde bei den größten Banken systematisch versagt, aber jede Kreissparkasse bis auf den letzten Cent durchleuchtet, dann hat der Staat seine Aufgabe nicht erfüllt. Und dass sich deutsche Landesbanken unter staatlicher Aufsicht im US-amerikanischen Hypothekengeschäft vergaloppieren, statt sich auf die Förderung des deutschen Mittelstands zu konzentrieren, dann ist das ebenfalls ein Versagen des Staates und kein Marktversagen.

Müssen wir uns um die soziale Marktwirtschaft sorgen? Politische Agitationen ähneln eher einer sozialistischen Marktwirtschaft. Oder täuscht das nur, weil außergewöhnliche Situationen eben außergewöhnliche Mittel rechtfertigen, möglicherweise bis hin zu einem Systemwechsel?

Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland spüren instinktiv, auch in der jetzigen Krise, welche Partei am meisten von Wirtschaft und Finanzpolitik versteht – nämlich die FDP. Wenn das sozialistische Wirtschaftssystem in über 80 Jahren in über 70 Ländern immer den finanziellen Zusammenbruch und den Ruf der Menschen nach Freiheit zur Folge hatte, dann liegt das nicht daran, dass eine gute Idee falsch umgesetzt wurde, sondern daran, dass die Idee an sich schlecht ist. Wir Liberale stehen als einzige Partei klar für die Soziale Marktwirtschaft, auch in deutlicher Abgrenzung zum ungezügelten Kapitalismus. Unser bewährtes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist und bleibt, bei allem was man verbessern kann, das beste, das es auf deutschem Boden jemals gegeben hat. Es ist das einzige lernende System und bringt möglichst vielen Menschen möglichst viel Wohlstand.

Das Interview führte Ursula Pidun
Photo: FDP-Bundestagsfraktion

Source: Dirk Niebel (FDP) über Politikverdrossenheit