Markus Krüsemann


Geringfügig Beschäftigte werden ausgebeutet

Beschäftigte in Minijobs sind schon strukturell in vielerlei Hinsicht gegenüber regulär Beschäftigten benachteiligt. Als schlecht in die Sicherungssysteme integrierte, billige und flexible Arbeitskräfte können sie dank ihrer oft prekären Lage ganz legal prima ausgebeutet werden. Manchen Betrieben reicht das nicht. Sie bereichern sich an den Beschäftigten zweiter Klasse zusätzlich, indem sie ihnen zustehende Arbeitnehmerrechte vorenthalten.

Geringfügig Beschäftige zählen zu den Verlierern auf dem Arbeitsmarkt

(Foto: Photodune.com)

Geringfügig entlohnte Beschäftigte sind wie alle atypisch Erwerbstätigen in vielerlei Hinsicht gegenüber regulär Beschäftigten benachteiligt. Sie sind deutlich schlechter in die sozialen Sicherungssysteme integriert, bei der Förderung beruflicher Qualifikationen (etwa durch Fortbildungen) wie auch beim Einbezug in die betriebliche Mitbestimmung stehen sie hintenan, und selbst in den Bereichen Arbeits- und Gesundheitsschutz wurden Defizite nachgewiesen.

Schlechterstellung auch durch Vorenthalt von Arbeitnehmerrechten

Und weil Minijobber/innen nur Arbeitnehmer/innen zweiter Klasse sind, nimmt man es mit ihren Rechten nicht so genau. Denn obwohl für sie die gleichen arbeitsrechtlichen Regelungen wie für alle anderen Beschäftigten auch gelten, werden arbeits- und kollektivrechtliche Standards oft nicht eingehalten. So musste das nicht gerade für eine arbeitgeberkritische Haltung bekannte Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bereits 2012 in einer Minijob-Analyse feststellen:

„Die Gewährung gesetzlich vorgeschriebener Leistungen ist laut der befragten geringfügig Beschäftigten äußerst gering. Keine der abgefragten Leistungen wurde von mehr als einem Viertel der Arbeitnehmer in Anspruch genommen (Pausenzeiten nach 6 Arbeitsstunden: 25 Prozent; Bezahlter Urlaub: 19 Prozent; Entgeltfortzahlung Feiertag: 14 Prozent; Entgeltfortzahlung Krankheit: 10 Prozent). Bei fast allen Leistungen geben mehr als die Hälfte der geringfügig Beschäftigten an, dass eine Inanspruchnahme entweder nicht möglich ist oder dass sie über den Leistungsanspruch nicht informiert sind.“

Dieser Rechtsmissbrauch bei den Minijobs hält bis heute nicht nur an, er hat sich einer soeben veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge noch verstärkt. So gaben bei einer Beschäftigtenbefragung 35 Prozent der Minijobber/innen an, keinen bezahlten Urlaub zu erhalten. Sogar 46 Prozent der Befragten erhielten nach eigenen Angaben keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Beide Seiten sind sich des Rechtsmissbrauchs häufig bewusst

Mit Unkenntnis ihrer Rechte hat das recht wenig zu tun, auch wenn nur etwa zwei Drittel der Minijobber/innen über diese beiden Rechtsansprüche Bescheid wissen. Immerhin rund 46 Prozent der Befragten, denen kein bezahlter Urlaub gewährt wird, wissen sehr wohl, dass der ihnen rechtlich zusteht. Bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat das Forscherteam ähnliche Werte ermittelt.

Bei einer ebenfalls durchgeführten Unternehmensbefragung zeigte sich, dass die Kenntnis der zwei arbeitsrechtlichen Regelungen bei den Betrieben (erwartungsgemäß) sehr weit verbreitet ist. So gaben 77 Prozent der befragten Betriebe an, sie wüssten um den Anspruch von Minijobber/innen auf bezahlten Urlaub. Rund 50 Prozent von ihnen haben aber trotz Kenntnis der Rechtslage ihren geringfügig Beschäftigten genau diesen Anspruch verwehrt.

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Stegmaier, J./ Gundert, S. u.a. (2015): Bezahlter Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: In der Praxis besteht Nachholbedarf bei Minijobbern. IAB-Kurzbericht, Nr. 18/2015, Nürnberg.