Matthias Weik und Marc Friedrich


China – ein Börsencrash lässt die Welt erzittern

Mehr Grund zur Sorge als das Griechenlandproblem bereitet uns China, dessen Aktinemarkt sich auf extrem dünnem Eis bewegt. Ist es nur noch eine eine Frage der Zeit, bis es zum Börsencrash kommt? Die Ökomomen Marc Friedrich und Matthias Weik sind überzeugt, dass China in dem Fall die Aktienmärkte global in den Abgrund ziehen wird.

Die Ökonomen Friedrich und Weik zum Thema Börsencrash.

(Foto: Friedrich & Weik)

Im größten „kommunistischen“ Land der Welt herrscht seit geraumer etwas sehr unkommunistisches: der Turbokapitalismus in seiner perversesten Form. Ironischerweise hat gerade in China die pure Gier und eben dieser Turbokapitalismus auf seinem destruktiven Beutezug ein neues Zuhause gefunden.

Das Land hat drei gewaltige Probleme:

Problem 1: Die immense Immobilienblase
In China zählte bisher aufgrund der minimalen Zinsen der staatlichen Geldinstitute eine Eigentumswohnung zur Wertanlage Nummer eins. Über 70 Prozent der Chinesen, die bereits selbst eine Wohnung besitzen, haben daher ihr Vermögen in weiteren Immobilien angelegt. Aus diesem Grund sind bereits Geisterstädte in der Größe von Stuttgart entstanden, in denen fast niemand mehr lebt. Mittlerweile verliert der Immobilienmarkt an Fahrt. Bereits 2014 ging die Nachfrage nach Wohnimmobilien um zehn Prozent zurück. Der Immobiliensektor beeiflusst inzwischen 15 bis 25 Prozent der lokalen Wirtschaft. Ein Implodieren des Immobilienmarktes würde die chinesischen Banken vor gravierende Probleme stellen, denn seit 2008 ist das Volumen an Hypothekenkrediten exorbitant gestiegen. Für zahlreiche Banken machen Hypothekenkredite bereits etwa 40 Prozent des gesamten Kreditvolumens aus.

Problem 2: Ein gigantisches Schattenbankensystem
Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein großer Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert – sogenannte Schattenbanken. Ein Großteil des chinesischen Schattenbanksektors ist heute kaum noch zu durchschauen, geschweige denn zu kontrollieren und reglementieren. Allein das Kreditvolumen der Chinesischen Schattenbanken beträgt laut dem McKinsey Global Institute (MGI) 6,5 Billionen USD. Sie stehen für rund 30 Prozent aller chinesischen Schulden. Zahlreiche Institute treten heute wie reguläre Banken auf. Das heißt: Sie sammeln Geld von Sparern ein, um dieses dann weiterzuverleihen, zu investieren oder damit an der Börse zu spekulieren. Der Schattenbanksektor prosperiert und das Kreditvolumen vermehrt sich seit 2007 jährlich um drei Prozent. Schattenbanken erfreuen sich unter der Bevölkerung immer noch großer Beliebtheit, da die zugesagte Rendite oft ein Vielfaches dessen beträgt, was die staatlichen Banken an Zinsen bieten. Diese befeuern auch den Aktienboom, womit wir schon zum dritten Problem kommen:

Problem 3: Heiß gelaufene Aktienmärkte
Seit einigen Jahren herrscht an den chinesischen Aktienmärkten der reine Irrsinn. Das gesamte Land ist vom Börsenfieber erfasst. Bis vor Kurzem herrschte noch eine Aktienstimmung wie zur Zeiten des Neuen Markts in Deutschland. Ein jeder möchte am ganz „großen Spiel“ teilhaben und schnellstmöglich reich werden. Es benötigt keinerlei hellseherische Fähigkeiten, dass dies über kurz oder lang gründlich daneben geht. Es kann nicht lange gutgehen, wenn immer mehr Menschen ohne reale Arbeit am Rechner reich werden – allein durch Spekulation an den Märkten. Seit Juni 2014 sind die Kurse an der Shanghaier Börse um 150 Prozent gestiegen, in Shenzhen haben sie sich sage und schreibe verdreifacht.

Von einem gesunden Wachstum kann hier keine Rede mehr sein. Unvorstellbare sechs Billionen Euro legten chinesische Aktien binnen eines Jahres an Wert zu – das entspricht der doppelten Wirtschaftsleistung Deutschlands eines Jahres. Gegenwärtig ist Chinas Aktienmarkt ungefähr zehn Billionen Euro wert. Das entspricht rund 40 Prozent des US-Marktes – 2014 waren es lediglich 14 Prozent. Ebenso ist nicht zu verkennen, dass parallel das Wachstum stockt und die Unternehmensgewinne kaum steigen. Im Mai 2015 sank das Exportvolumen bei Waren und Gütern um -2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 190,752 Mrd. Dollar. Waren und Güter im unbereinigten Wert von 131,264 Mrd. Dollar wurden im Mai 2015 importiert – ein Einbruch von -17,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Es gibt kein ewiges, staatllich vorgeschriebens Wachstum

In den ersten fünf Monaten 2015 sanken die Importe um -17,3 Prozent zum Vorjahresmonat auf 663,609 Mrd. Dollar. Dem Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex zur Folge ist Chinas Industrie im Juli so stark geschrumpft, wie seit zwei Jahren nicht mehr. Der Markit-Einkaufsmanagerindex lag bei 47,8 Punkten, dem tiefsten Stand seit Juli 2013.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Aktienblase platzten musste. Es gibt kein ewiges, staatlich vorgeschriebenes Wachstum vom 7-10 Prozent pro Jahr – auch nicht in einer Planwirtschaft wie China. Anfang Juli musste die chinesische Börsenaufsicht aufgrund von Panik 1.400 Unternehmen vom Handel aussetzen. Binnen drei Wochen verlor die Shanghaier Börse in den letzten beiden Juniwochen und in der ersten Juliwoche trotz staatlicher Eingriffe ca. ein Drittel an Wert. Das ist der größte Kursrutsch seit mehr als 20 Jahren.

Chinas Aktienmarkt verlor innerhalb von nur wenigen Tagen bis zu vier Billionen Dollar an Wert. Die chinesische Regierung reagierte mit erheblichen Eingriffen, wie etwa einer der Erhöhung der Liquidität im Handel, Senkung der Zinsen auf ein Rekordtief, Aussetzung von fast 50 Prozent aller Aktien sowie einem Beschluss zu Konjunkturspritzen und Stützungsmaßnahmen. Zudem erhielten an der Börse notierte Unternehmen die Genehmigung, sich selbst vom Handel auszusetzen. Planwirtschaft vom Allerfeinsten. Kurzfristig konnte die Regierung den Kursrutsch zunächst erfolgreich stoppen und eine Gegenbewegung erreichen. Der Leitindex erholte sich von seinem Tief am 8. Juli 2015 um 16 Prozent. Am 27. Juli 2015 war es dann vorbei mit der „Erholung“.

Beispiellose Intervention der Regierung

Am diesem besagten Tag kannte der Leitindex‘ Shanghai Composite Shanghai Composite nur noch einen Weg – und zwar nach unten. Innerhalb nur eines Tages brach der Aktienmarkt um 8,5 Prozent ein. An der Börse in Shanghai wurden fast 630 Milliarden Dollar vernichtet. Dies entspricht ungefähr der dreifachen Wirtschaftsleistung Griechenlands. Dabei handelt es sich um den größten Tagesverlust des Shanghai Composite seit Februar 2007. Im Juli 2015 fiel der Shanghai Composite Index um 13,4 Prozent. Trotz beispielloser Interventionen der Regierung zur Stützung des Marktes war dies der schlechteste Monat für chinesische Aktien seit Oktober 2009. Nicht zu verkennen ist, dass selbst nach dem Absturz vom 27.07.2015 der Shanghai Composite auf 12-Monats-Sicht noch immer 78,44 Prozent im Plus liegt.

Dies nützt vielen Privatanlegern jedoch reichlich wenig, denn sie haben einen groben Kapitalfehler begangen. Fatalerweise hat eine Vielzahl der von Gier getriebenen Anleger ihre Aktien auf Pump gekauft. Viele von ihnen stehen jetzt vor dem finanziellen Ruin. Äußerst verheerend ist nicht nur, dass auf Kredit spekuliert wurde, sondern dass auch bis dato nicht bekannt ist, in welcher Höhe und insbesondere unter welchem Hebel dies geschah. Die Regierung in Peking wird gezwungen sein, Billionen an Yuan bereit zu stellen, um den großen Crash zu verhindern. Das Vertrauen in die Regierung und die Stützungsmaßnahmen erodiert jedeoch weiter – denn auch am Folgetag verfiel der Aktienkurs um über 4 Prozent. Noch am ersten Handelstag im August rutschten die Aktienmärkte weiter ab.

Sollte die Regierung nicht massiv in die Märkte intervenieren, wird ein Margin Call-Desaster drohen. Unter einem Margin Call bezeichnet man den Anruf eines Brokers an einen Kunden mit Margin Account (Depot mit dem Wertpapiere auf Kredit gekauft werden). Unterschreitet der Wert der gekauften Papiere eine bestimmte Grenze und ist der Investmentkredit somit nicht mehr gedeckt, so hat der Inhaber des Margin Accounts zwei Möglichkeiten: entweder er schießt neues Kapital nach was für viele Anleger voraussichtlich schwierig sein wird oder er muss Wertpapiere verkaufen – egal ob das für ihn einen Gewinn oder Verlust bedeutet.

Chinas Aktienmarkt tickt wie eine Zeitbombe

In China könnte dies zu einer Kettenreaktion astronomischen Ausmaßes führen. Sollte die Regierung in Peking nicht nicht massiv und mit unvorstellbar viel Geld eingreifen, sieht ds so aus: Die Kurse fallen weiter und mehr und mehr Margin Accounts geraten unter einen kritischen Wert. Folglich müssen immer mehr Anleger verkaufen, um das erforderliche Geld an ihre Broker nachschießen zu können. Dies wiederum drückt die Preise weiter in den Keller und löst neue Margin Calls beziehungsweise Stop-Losses aus (der Anleger bestimmt einen Kurs unterhalb der aktuellen Notierung, bei dem ein Verkaufsauftrag für das Papier ausgelöst werden soll).

Bisher hat die chinesische Regierung knapp 860 Milliarden Yuan (circa 126 Milliarden Euro) aufgebracht, um einen fatalen Crash abzuwenden. Wir sagen ganz klar: dies wird lange nicht genug sein. Laut dem weltgrößten Hedgefonds Bridgewater beliefen sich allein die Margin-Account-Positionen am Markt vor dem Crash auf knapp drei Billionen Yuan (circa 441 Milliarden Euro). Logischerweise sind all diejenigen Investmentpapiere nicht dabei, die mit Eigenkapital gekauft wurden, und eventuell von verunsicherten Anlegern veräußert werden. Der Banker David Cui (Bank of America Merrill Lynch) spricht sogar von einem Margin-Volumen in der Größe von 3,7 Billionen Yuan (circa 544 Milliarden Euro), welches durch einen einfachen Hebel doppelt wirkt.

Laut Cuis Schätzungen zufolge werden am Markt insgesamt Positionen im Wert von sage und schreibe 7,5 Billionen Yuan (über eine Billion Euro) mit geliehenem Geld gehalten. Dies entspricht knapp 13 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung aller auf dem chinesischen Festland notierten Aktien. Nirgendwo auf der ganzen Welt wird – in Relation zur Marktkapitalisierung – derart massiv auf Kredit investiert. Unserer Ansicht nach ist der chinesische Aktienmarkt gegenwärtig eine tickende Zeitbombe. Chinas Aktienmarkt steht auf extrem dünnem Eis und es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis es zum gigantischen Margin Call kommen wird. Tritt dieser Fall ein, wird China global die Aktienmärkte in den Abgrund ziehen.

Infos zu den Autoren:
Die beiden Ökonomen, Querdenker und Honorarberater Matthias Weik und Marc Friedrich schrieben 2012 zusammen den Bestseller “Der größte Raubzug der Geschichte – warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“. Es war das erfolgreichste Wirtschaftsbuch 2013. Seit April 2014 gibt es eine aktualisierte und überarbeitete Taschenbuchausgabe.

Mit ihrem zweiten Buch, „Der Crash ist die Lösung – Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten“, haben sie es bis auf Rang 2 der Spiegel Bestsellerliste geschafft sowie auf Rang 1 im Manager Magazin und Handelsblatt. In ihm haben sie u.a. die EZB Leitzinssenkung und Minuszinsen für die Banken, die Absenkung des Garantiezins bei den Lebensversicherungen sowie den Ausgang der EU-Wahl richtig prognostiziert. Es war das erfolgreichste Wirtschaftsbuch 2014. Weitere Informationen über die Autoren finden Sie unter: www.friedrich-weik.de und bei Facebook.