Geschichte des Schweizer Franken
Der Schweizer Franken ist härter geworden. Er erschreckt die Häuselbauer, die auf Fremdwährungkrediten gebaut hatten. Die Schweizer Nationalbank hat das Publikum schon 2007 erschreckt. Es ging um den ersten Preis im Wettbewerb für eine neue Frankenserie. Eine Betrachtung der Geschichte des Schweizer Franken von Dr. Malte Olschewski.
Der abgelehnte Entwurf aus dem Jahre 2007 zeigte keine Menschen mehr, sondern nur mehr grelle, schwer einzuordnende Symbolik: Blutkörperchen, ein Aidsvirus, ein Embryo, ein Totenkopf oder ein Goldbarren erschienen als Vorgriff künftiger Notendesigns. Der Entwurf wurde nicht realisiert, da sich viele Eidgenossen mit HIV-Franken in der Brieftasche nicht wohl fühlten.
Die strenge Auslegung der Neutralität hat einen Beitritt der Schweiz zur Euro-Zone verhindert. Das Land hat nach inneren Religionskämpfen um 1847 keinen Krieg mehr gesehen. Ob Nationalheld Willhelm Tell wirklich gelebt hat, ist umstritten und zweitrangig. Was zählt, ist das Selbstvertrauen in die Genauigkeit, mit der seine Armbrust den Apfel auf dem Kopf des Sohnes und nach einem Eid der Genossen auch den Statthalter Gessler treffen wird.
Die Schweiz zählt zu den reichsten Ländern Europas
Genauigkeit und Korrektheit gehören zum eidgenössischen Nationalcharakter. Die Schweizer Uhr, das rote Mehrzweckmesser und die sicheren Banken sind seine anderen Zeugen. Die Schweiz ist in ihrer oft verachteten Korrektheit zum reichsten Land Europas geworden, aber sie prunkt und protzt nicht damit. Der „Franken“zu 100 „Rappen“ hat sich gegenüber dem Euro mehr als behauptet. Der Rappen ist wahrscheinlich ein im Münzdruck misslungener Adler, der in der Schweiz für einen Raben und nicht für ein schwarzes Pferd steht. Eine andere Version lässt die Herren von Rappoltstein den klugen Vogel auf ihre Münzen setzen. Der Rappen hat sich im deutschen Sprachgebrauch erhalten, da man immer wieder etwas, und nun auch für Frankenkredite, „berappen“ muss.
Auf zehn Franken der Ausgabe von 1955 war der Dichter Gottfried Keller mit rückseitigen Nelken abgebildet. Keller (Hauptwerk: „Der Grüne Heinrich“) ist der bedeutendste Romanschriftsteller des Landes. Zwanzig Franken zeigten Guillaume Henri Dufour mit einer Silberdistel. Mit den eher düsteren Religionsdiktatoren Johannes Calvin und Ulrich Zwingli hatte die Schweiz eine eigene Form des Protestanismus entwickelt, die sie damals gegen separatistische Katholiken zu verteidigen hatte. Am 24.10.1847 ernannte die Volksvertretung Dufour zum General, der den katholischen Sonderbund von sieben Kantonen aufzulösen hatte. Nach nur drei Wochen konnte Dufour die katholische Separation niederschlagen.
Banknoten als Moralkeule
Die Schweiz erhob auf ihren „Fränklis“ gern die Moralkeule. Höhere Denominationen erschienen in der Serie von 1955 als grossformatige Noten mit Botschaften, die vor allem die Banken nicht gerne hörten. 100 Franken brachten auf der Rückseite eines Knabens mit einem Lamm die Mahnung „Wer hat, soll teilen!“ Der Heilige Martin zerschnitt auf der Kopfseite für einen hungernden Armen seinen Mantel. Auf 500 Franken sah eine junge Frau in den Spiegel und erkannte ihre Vergänglichkeit.
Doch winkte ihr umseitig aus alten Sagen der Trost des Jungbrunnens: Alte Frauen steigen in ein Holzscheffel und verlassen ihn als schöne, züchtig verhüllte Jungfrauen. Hasen hoppeln als ein Symbol der Erneuerung neben dem Scheffel. 1 000 Franken waren 1961 ein kleines Vermögen. Wer sie hatte, so der Blick der Kopfseitendame, möge die Rückseite betrachten, auf welcher der Tod in einem Dance Macabre“ Triumphe feiert. Der Sensenmann sei der reichste Bankier, wollte man sagen, denn sein Konto würde sich mit jedem Tag vermehren.
Kopfbilder auf den Banknoten
Ab 1976 erschien eine neue Serie: Das Kopfbild zeigte berühmte Schweizer, während die andere Seite jeweils im Hochformat zu lesen war. Es waren dies der Mathematiker Leonhard Euler (10 F./1707-83), der Geologe Horace Benedict de Saussure (20 F./1740-1799), das Universalgenie Konrad Gessner (50 F./ 1516-1565), der Architekt Francesco Borromini (100 F./ 1599-1667), der Anatom und Dichter Albrecht von Haller (500 F./ 1708-1777) und der Biologe August Forel (1000 F./ 1840-1931).
Rückseitige Hochformate bezogen sich in gelungenen Kompositionen auf die Leistungen dieser Männer. Leonhard Euler hatte eine Wasserturbine, das Solarsystem und eine lichtbrechende Linse als Reversbild. Bei Saussure sah man eine von ihm geführte, historische Kletterpartie. Gessner wurde von einer Eule, einer Primel und Sternen begleitet. Borromini verband sich mit Skizzen der Kirche von St. Ivo alla Sapienza. Haller trug in seinem Rücken einen Rücken. In das Muskelgeflecht der menschlichen Wirbelsäule waren die Bahnen der Blutzirkulation hineinkomponiert worden. Über Forels Revers krochen zwei
Ameisen.
Ab 1995 erschien eine neue Frankenserie, in der dieses Stilprinzip grossartig vollendet worden ist. Nun war auch die Vorderseite vertikal zu lesen, wobei das jeweilige Porträt durch eingeschnittene Tätigkeitsbilder erweitert wurde. Auf zehn Franken sieht man den Architektem Le Corbussier, der links oben im Kleinformat einen Plan entwirft. Bei Drehung überlagern sich die Skizzen seiner für Indien geplanten Idealstadt von Chandighar. Komponist Arthur Honegger (1890-1955) wird im Porträt und bei einer Notenschrift vorgestellt. Auf der Bildseite ist eine optische Umsetzung seines Werkes „Pazifik 231“ mit Trompetenventilen, dem Rad einer Lokomotive und einer Notenschrift großartig gelungen. Sophie Taeuber-Arp (1884-1943) wird als Vertreterin der dadaistischen Malerei auf 50 Franken präsentiert.
Optisch umgesetzter Dadaismus
Auf der Rückseite suchte man den Dadaismus optisch umzusetzen. Der Dadaismus war eine neue Kunstrichtung gewesen, die mit scheinbar sinnlosen Elementen spielte und kriegsbedingt in der biederen Schweiz seinen Höhepunkt erreichte. 100 Franken waren dem Bildhauer Alberto Giacometti (1901-1960) gewidmet. Umseitig sind mit der Skulptur vom „Gehenden Menschen“ Bezüge von Zeit und Raum visualisiert worden. 200 Franken zeigen den Dichter Charles Ferdinand Ramuz (1878-1943). Im Retro wird seine Handschrift in aufsteigende Schichten der Schweizer Lande hineingewoben. Ähnlich gelungen ist die Tausendfrankennote mit dem Kunsthistoriker Jacob Burckhardt (1918-97). Rückwärts überlappt sich sein berühmtes Geschichtsschema mit dem Altar von Pergamon, dem römischen Pantheon und dem Palais der Strozzi in Florenz.
Im Gegensatz zu den schwerfälligen, menschenfreien Bauten des „Euros“ ist es der Schweiz gelungen, ihre farbenfrohe und lebendige Währung als eine Botschaft zu erhalten und jetzte auch als Wert zu steigern.