Dr. Malte Olschewski


Hurrah! Der neue Euro-Zehner ist jetzt da.

Die Europäische Zentralbank hatte einen Wettbewerb zur Gestaltung der neuen Euro-Scheine ausgeschrieben. Die Vorgabe war, sieben zeitgeschichtliche Epochen im Zusammenhang mit Europa abzubilden. Es trafen 44 Entwürfe von 29 Designern ein. Doch ist die Gestaltung tatsächlich gelungen? Eine Betrachtung von Dr. Malte Olschewski.

Überzeugt dieser 10-Euro-Schein-Entwurf tatsächlich?

(Foto: ecb.europa.eu)

Hurrah! Der neue Euro-Zehner ist jetzt da. Die Sicherheitsmerkmale sind nun ganz raffiniert, das Design ist das gleiche geblieben. Der Euro will keine Menschen zeigen, während immer mehr Menschen den Euro auch nicht mehr wollen. Ist es schon Zeit, von der gesichtslosen Währung Abschied zu nehmen? Die auch als „Teuro“ gescholtenen Scheine sind von der Gestaltung und Ästhetik her misslungen, da die seinerzeitigen Mitgliedsländer den kleinsten, gemeinsamen Nenner gesucht und unter Aussperrung von Persönlichkeiten in Baumaterialien gefunden haben.

Der Euro will keine Menschen zeigen

In vergangenen Zeiten suchten die Staaten nicht nur in Europa auf Banknoten ihre Besonderheit vorwiegend durch historische Personen oder andere nationale Eigenarten darzustellen: Mozart auf 5000 Schilling in Österreich oder die Brüder Grimm auf 1 000 Mark in Deutschland. Dann und wann gelangten auch umstrittene oder weniger bedeutende Personen auf die Banknoten. So etwa zierte die Insektenforscherin und „Falterfrau“ Sybille Merian als Quotendame eine Banknote aus der letzten D-Markserie. Und von einem Schein der spanische Peseten drohten die blutigen Konquistadoren Franzisco Pizzarro und Hernan Cortez.

Siegeszug eines lauen, verbindlichen Entwurfs

Die Europäische Zentralbank hatte einen Wettbewerb zur Gestaltung der neuen Euro-Scheine ausgeschrieben. Die Vorgabe war, sieben zeitgeschichtliche Epochen im Zusammenhang mit Europa abzubilden. Es trafen 44 Entwürfe von 29 Designern ein. Betrachtet man jetzt via „Wikipedia: Abbildung der Entwürfe für die Eurobanknoten“ die Alternativen, so wird klar, dass die Zentralbank den lauesten und verbindlichsten Entwurf des österreichischen Designers Robert Kalina ausgewählt hatte. Fast alle anderen Entwürfe waren lebendiger, farbiger und dramatischer. Und in der Mehrzahl zeigten sie Menschen. Keine historischen Größen oder Herrscher, sondern einfach nur Menschen der jeweiligen Epoche, die man Plastiken, Gemälden oder Fotos nachempfunden hatte.

Wenn die Landkarte zum großen Problem wird

Leitidee des siegreichen Euros war folgende: Die eine Seite zeigte eine immer gleichbleibende Landkarte von Europa, die von einer mit der jeweiligen Epoche korrespondierenden Brücke überwölbt war. Die Landkarte war das Problem. Inseln wie Zypern oder Malta fanden keinen Platz, während Russland, die Ukraine, Nordafrika und die asiatische Türkei weit ins Bild ragten. Island hat man aus unerfindlichen Gründen nach Osten verschoben.

Die griechischen Inseln vor der türkischen Küste sind in Relation zu ihrer wahren Größe zu schwarzen Klecksen aufgedonnert worden. Da haben offenbar die Franzosen gleiche Rechte für ihre weitab gelegenen Überseeterritorien verlangt, in denen der Euro gelten sollte. Man behalf sich mit einer unterteilten Leiste links unter der Landkarte, in der die Grenzen von Französisch-Guyana zu erkennen waren und die Inseln von Guadaloupe, Martinique und Reunion als Punkte  in einem eigenen Kästchen erschienen. Die Spanischen Kanaren lagen derart günstig vor der Küste Marokkos, dass sie kein eigenes Kästchen gebraucht hätten, aber trotzdem eines und zwar ohne Grenzstrich im Osten bekamen.

Lepton feiert Renaissance

Die Griechen sollen bei den Verhandlungen über das Design besonders hartnäckig gewesen sein. Wegen ihrer Schrift musste in einem Kästchen auf beiden Seiten der Banknoten eigens die Buchstaben „EYRO“ aufscheinen, da im griechischen Alphabet das „U“ ein „Y“ ist. Auch bei der Diskussion über die Münzform setzten sich die Griechen durch. Während in allen anderen Staaten die Unterteilung des Euros der „Cent“ ist, ist das in Griechenland der „Lepton“ (Mehrzahl: Lepta). Der Lepton war die kleinste Zahlungsform im antiken Griechenland, wo man ihn als winzige Münze oft unter der Zunge getragen hatte. Im modernen Griechenland war er wegen seines minimalen Wertes bald in der Drachmeninflation verschwunden. Nun feierte er als Verkleidung des Cents seine Wiederauferstehung. Genau übersetzt bedeutet er: „Dünnes Geld“.

Odyssee durch sieben Epochen

Die europäische Währung zeigt auf der Rückseite der Landkarte Brücken und Gebäude aus sieben Epochen der Kunstgeschichte: Römisch-griechische Klassik, Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Industriezeitalter und Moderne. An diesen Bögen, Toren und Bauten hat freilich die Zentralbank eifrig mit gemörtelt, zumal auch  der Sternenkranz als Symbol der EU unterzubringen war. Der aber ist ein Kreis, der auf allen Noten das Gesamtbild stört, über wechselnden Hintergrund geht und dabei seine Farbe ändert. Es durfte kein Bauwerk aufscheinen, das es in Wirklichkeit gegeben hätte. Alle Konstruktionen sind, da dem Reißbrett entsprungen, seltsam blutleer, artifiziell und abweisend. Nur keine Menschen zeigen, die man ja als Angehörige einer Nation hätte erkennen können! Kein Hinweis auf die Völkerschaften, die Europa ausmachen. Politisch korrektes Geld, bitte!

Sicherheitsmerkmale Step by Step (Foto:

Sicherheitsmerkmale Step by Step (Foto: ecb.europa.eu/)

Auftrittsverbot für den Menschen

In seiner Papierform von 5 bis 500 ist der Euro „unmenschlich“, denn der Mensch hatte Auftrittsverbot, das auch für große Europäer galt. Fünf Euro in einem eintönigen Grauton sind den Römern mit einem leeren Triumphbogen gewidmet. Kein echter Triumphbogen natürlich, der in Wirklichkeit von Reliefen der Kampfszenen übersät war. Da der politisch korrekte Bogen auf einem massiven Sockel steht, hätte kein siegreicher Feldherr hier durchmarschieren können. Der obligatorische Sternenkreis schleicht sich mit gelb werdenden Gestirnen durch die Öffnung. Auf der anderen Seite ist ein Aquädukt dargestellt, bei dem kaum was schiefgehen kann.

Ein Zehner für die Romanik?

Zehn Euro sind mit einem Rundbogenportal der Romanik zugedacht. Mit seinen perspektivischen Kreissegmenten sieht das aber eher aus wie eine Computerspielerei. Es mag ähnliche Bauten wie auf zehn Euros gegeben haben, doch setzten sich ab 1100 Figurenportale durch, die wie jene in Moissac, Autun oder Vezelay als typisch romanisch gelten können. Die gotischen Kirchenfenster auf zwanzig Euro gibt es in dieser Form nicht oder nur selten, da die Glasmalerei meist Szenen der Bibel oder Heilige darstellt. Ein Besuch von Notre Dame in Paris oder im Veitsdom zu Prag mag zeigen, wie gotische Kirchenfenster wirklich ausschauen. Die Brückenbauer in der Romanik und Gotik haben sich zumindest auf den Euro nur wenig unterschieden, um in beiden Fällen so modern über Leerräume hinweg zu bauen, dass eines klar ist: Das sind keine Brücken der Romanik oder Gotik. Die haben anders ausgesehen, wenn sich auch kaum eine davon erhalten hat.

Der Fünfziger

Der 50-Euro-Schein – eine Juke-Box aus den Fünfzigerjahren? (Foto: ecb.europa.eu)

Der Fünfziger mit Wahltasten und Ausschieber

Fünfzig Euro gelten der Renaissance, bilden aber eher eine Juke-Box aus den Fünfzigerjahren ab mit Wahltasten und Auswurfschieber. Vielleicht gleichen sie eher einem Spielautomaten von Las Vegas, zumal der Sternenkranz gerade hier zwei  Gewinnsymbole genau auf den Sichtschirm abgibt . Auch der Vergleich mit einem luxuriösen Toilettenhäuschen liegt nahe. Oder mit dem Wachportal vor einer Millionärsvilla. Nur mit der Renaissance ergibt sich kein Anknüpfungspunkt. Da sich die Baustile nur sehr bedingt auf die Errichtung von Brücken niedergeschlagen haben, kann hier die entfesselte Fantasie eine Renaissance-Brücke konstruieren. Es muss ja unbedingt eine Brücke sein, denn die Eurokraten gelangten zur glorreichen Idee, dass Brücken überbrücken und verbinden. Was denn? Die verschiedenen Staaten und Völkerschaften Europas, die man bei so vielen Brücken gar nicht mehr sieht.

Der Hunderter -

Der 100-Euro-Schein – Barock ohne Menschen? (Foto: ecb.europa.eu)

100 Euro-Schein ohne Menschen

Das Barock auf hundert Euro ohne Menschen darzustellen, wäre wohl eine Quadratur des Kreises gewesen. So sieht man auf hundert Euro einen Torbogen mit zwei undeutlichen und verstümmelt wirkenden Torsi. Mit antiken Tuch um die Lenden scheinen sie den Bau zu tragen. Doch der eine links im Bild wird von der Last schon fast erdrückt. Der Kollege rechts stützt zusammenbrechend das Säulenkapital noch mit seiner Rechten, greift sich aber mit seiner aus dem Rücken kommenden Linken in die Leibesmitte. Der Sternenkranz ist so unglücklich eingefügt, dass im Torbogen gerade ein Stern halb verschwindet und damit sein Hinterteil sehen lässt.
Auf der anderen Seite sieht man auf dem Bild einer modernen und keineswegs barocken Brücke zwei winzige Säulenheiligen stehen. Sie sind so klein geraten, dass sie keinesfalls identifiziert werden können. In Mitteleuropa steht an großen Brücken oft eine Statue des Heiligen Nepomuks, eines böhmischen Geistlichen, der 1393 an der Karlsbrücke in Prag ertränkt worden war. Zwei winzige Statuen auf einer Brücke wie auf dem Euroschein sind in Wirklichkeit nirgends anzutreffen.

Der Zweihunderter -

Der 200-Euro-Schein erinnert an halboffene Gittertore (Foto: ecb.europa.eu)

Klotzig, abweisend und kalt

Entwischt! Der Schein von 200 Euro erinnert irgendwie an die halboffene Gittertür eines Schlangen- oder Affenhauses. Auch an den Augenblick kann man denken, in dem ein Häftling durch das Gitter der Absperrung geflüchtet ist. Viele andere Deutungen sind möglich, nur dass dieses Bild ein Symbol des Industriezeitalter sein soll, will sich daraus nicht ergeben. Violett gefroren erheben sich auf 500 Euros gläserner Strukturen eines Verwaltungspalastes, dessen Modell wohl in Brüssels Zukunft zu vermuten ist: Klotzig, abweisend und eiskalt. Wie in einem Bienenstock sind die Waben der Macht geschichtet. Viele Fenster oder Abteilungen sind wie in Vorahnung auf die Zukunft dieser Währung geschlossen.

Der 500-Euro-Schein schließlich zeigt sich klotzig, abweisend und kalt (Foto:

Der 500-Euro-Schein schließlich zeigt sich klotzig, abweisend und kalt (Foto: ecb.europa.eu)

Alle Fotos: ecb.europa.eu/