Hermann Bühlbecker (Lambertz): „Hier sind wir seit 320 Jahren“
Der Name Lambertz steht unverwechselbar für die zuckersüßen Versuchungen der Schokoladenwelt. Das dahinterstehende Unternehmen mit Dr. Hermann Bühlbecker an der Spitze zählt heute zu den zwei größten deutschen Gebäckherstellern und ist führend am Markt der Anbieter für Lebkuchen-, Printen- und Saisongebäck. Als 1688, also genau vor 321 Jahren, Printenbäcker Henry Lambertz in Aachen eine Konzession zum Betrieb eines Backhauses in Aachen erhielt, ahnte wohl niemand, dass dies der Grundstein für eine unternehmerische Erfolgsgeschichte war, die ihresgleichen sucht. Denn 1977 übernahm Bühlbecker die Leitung des Unternehmens und baute den damals wankenden und eher nur im regionalen Bereich bekannten deutschen Traditionsbetrieb zu einem Unternehmen auf Weltniveau aus.
Mit großem Gespür, innovativem Handeln, konsequenten Produkterweiterungen und einer kosteneffizienten Herstellung erzielt das Unternehmen inzwischen einen Umsatz von über 400 Millionen Euro im Jahr. Neben dem Stammsitz in Aachen gibt es weitere sieben Standorte, sechs davon allein in Deutschland. Zur Lambertz-Gruppe zählen auch Kinkartz in Nürnberg, Weiss und Haeberlein & Metzger. Bühlbecker ist jedoch nicht nur König der Printen, Kaiser der Dominosteine und Schokoladen-Diplomat, sondern vor allem ein Workoholiker im Dienste seines Unternehmens mit inzwischen 3450 Mitarbeiter, deren gesicherte Arbeitsplätze ihm besonders am Herzen liegen. Und neben den vielen Geheimrezepten, die sicher in den Tresoren des Unternehmens schlummern, gibt der Top-Unternehmer eines freimütig preis: Er investiert lieber in gute Beziehungen anstatt in TV-Werbung. Eine Marketingstrategie, die bestens aufzugehen scheint. Im Gespräch mit Dr. Hermann Bühlbecker, Inhaber und Alleingesellschafter der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Henry Lambertz GmbH & Co. KG.
Herr Dr. Bühlbecker, hätten Sie vor 32 Jahren, als Sie die Leitung des Unternehmens übernahmen, mit einer solchen Erfolgsgeschichte gerechnet?
Als ich die Leitung des Unternehmens übernahm, hatte ich für mich eine klare Zielsetzung! Das Unternehmen war wirtschaftlich angeschlagen und es war mir neben der wirtschaftlichen Rettung des Unternehmens natürlich auch eine Verpflichtung allen Mitarbeitern gegenüber, die Arbeitsplätze zu sichern. Dies erforderte viel Kreativität und Innovationskraft. Jede Entscheidung musste wohl überlegt sein.
Zu diesem Zeitpunkt, Mitte der 70er Jahre, belieferten wir ausschließlich das feinste Geschäft in der Stadt. Um weitere Absatzmärkte zu generieren, besuchte ich alle potentiellen Handelspartner persönlich und ich erinnere mich daran, wie der Chef einer großen Handelskette zu mir sagte: „Was machen Sie eigentlich, wenn die letzte Frau Kommerzienrätin gestorben ist?“ Das bedeutete für Lambertz, das Sortiment zu erweitern und sich als flexibler und schneller Partner für den Handel zu beweisen.
Dass wir uns aber nicht nur aus der damaligen Situation freischwimmen konnten, sondern heute eines der erfolgreichsten Süßwarenunternehmen in Deutschland und Weltmarktführer für den Bereich Herbst- Weihnachtsgebäck sind, damit konnte ich damals natürlich nicht rechnen.
Als „einen der schwärzesten Momente“ haben sie einmal den Tag bezeichnet, als nicht Sie, sondern die Südzuckertochter Schöller den Zuschlag von Kinkartz und Haeberlein & Metzger erhielt. Warum waren diese Unternehmen so wichtig für Sie?
Sehen Sie, Kinkartz und Haeberlein & Metzger waren unsere Mitbewerber. Kinkartz war vor 30 Jahren sogar ein Vielfaches größer als Lambertz und war bereits sehr breit im Handel vertreten. Die Synergien liegen in so einer Situation auf der Hand und die Positionierung für uns auf dem Markt hätte sich natürlich extrem verbessert. Insofern schmerzte es natürlich sehr, als Schöller den Zuschlag erhalten hat.
Später hat es dann doch geklappt und es kam zu einer Übernahme. Das hatte wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung Ihres Unternehmens?
Definitiv! Nachdem wir uns als Lambertz gegen Schöller am Markt behaupten konnten und den Übernahmeangeboten von Schöller immer widerstehen konnten, war die dann doch vollzogene Übernahme natürlich der Startschuss für eine weitere Expansion. Nach dem Erwerb von Kinkartz und Haeberlein & Metzger konnten wir mit zeitlicher Verzögerung die Synergien umsetzen. Außerdem verfügten wir nun mit Aachener Printen und Nürnberger Lebkuchen über gute Marken und Schwerpunkte in West- und Süddeutschland.
Sechs von sieben Ihrer Unternehmen sind nach wie vor in Deutschland. Worin liegen die Vorteile am hiesigen Standort?
Deutschland ist unser Stammmarkt und hier sind wir seit 320 Jahren, wenn Sie so wollen, am Markt. Hier sitzen unsere Kunden und hier sind wir auch mit vielen Marken vertreten, die an ihre Herkunft gebunden sind. Nürnberger Lebkuchen oder Aachener Printen müssen nun einmal aus Nürnberg oder Aachen kommen.
Deutschland als Hochlohnland macht Ihnen also keine so großen Probleme, wie relativ vielen anderen Unternehmern?
Wenn man auf eine so lange Geschichte blicken kann wie wir dies tun, dann sind doch die Erfolge auch immer eine Leistung des Teams und dieses Team sind unsere Mitarbeiter. Deren Qualität und Erfahrung können Sie in unseren Produkten wieder finden.
Augenblicklich ist die wirtschaftliche Lage generell kein Zuckerschlecken. Die wahren Ausmaße der größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg werden sich wohl erst im Laufe des Jahres zeigen. Sind Sie dennoch „guten Mutes“, dass wir das Desaster wieder in den Griff bekommen?
Natürlich werden wir täglich mit der Krise konfrontiert. Die Medien berichten ausführlich über das mögliche Ausmaß und die bereits betroffenen Branchen und Firmen. Auch an der Süßwarenbranche wird die Krise nicht spurlos vorüber gehen. In der Krise sind jetzt besonders Innovation und Kreativität gefragt, Kompetenzen, die bei Lambertz immer einen hohen Stellenwert besaßen und nach wie vor besitzen. Auch dürfen Sie nicht vergessen, dass wir uns mit Süßwaren im niedrigen Preissegment bewegen, an dem der Verbraucher zuallerletzt spart. Denn die Belohnung mit Süßem ist gerade in der Krise auch ein Stück Lebensqualität bei einer schlechten Gesamtlage.
Als das Ausmaß der „Zockereien“ am Derivatenmarkt zutage trat, wie haben Sie das beurteilt? Es waren immerhin auch Länderbanken und eine der größten Pfandbriefbanken beteiligt.
Dass hier vieles nicht mehr nachvollziehbar war und sich hier eine gewaltige Blase auftat, war ja bereits seit längerem klar und ersichtlich. Dass es allerdings in diesem Ausmaß die gesamte Weltwirtschaft und alle Bereiche erfassen würde, war dann doch überraschend.
Die Kritik hinsichtlich Banker und Manager ist heftig und wird oft verallgemeinernd formuliert. Ärgert Sie es manchmal, dass quasi alle in einen Topf geworfen werden, also keine oder kaum Differenzierungen stattfinden?
Jede Verallgemeinerung ohne Differenzierung ist an sich nicht zielführend und dass hier jetzt alles verteufelt wird, geht natürlich am Thema vorbei. Dass es auch anders geht beweisen viele Mittelständler doch täglich erfolgreich. Wenn wir unsere gesellschaftliche Verantwortung und das Streben nach Nachhaltigkeit nicht ernst nehmen würden, wären wir keine 320 Jahre alt geworden.
Derzeit richtet sich das Augenmerk auf das Prinzip: „rettet was zu retten ist.“ Damit wird es nicht getan sein. Was sind in Ihrer Sicht die dringlichsten Aufgaben, die nun jenseits von Bürgschaften und Krediten von den verantwortlichen Regierungen in Angriff genommen werden müssen?
Die dringendste Aufgabe ist die Schaffung vernünftiger und seriöser Rahmenbedingungen für den Finanzmarkt an all den Stellen, an denen diese bisher gefehlt haben. Ich denke hier herrscht ein breiter Konsens
über die Versäumnisse der Vergangenheit und die Veränderungen wurden bzw. werden ja gerade eingeleitet. Schärfere Regulierungen und Kontrollen halte ich durchaus für angemessen.
Ihr Unternehmen gehört zu den Globalisierungsgewinnern. Und das überwiegend im Sinne der Vermarktung, denn sechs von sieben Produktionsstätten gibt es nach wie vor in Deutschland. Das soll so bleiben? Oder gibt es Pläne, neben Polen künftig auch in anderen Ländern zu produzieren?
Wir folgen dem Kunden. Sollte auch in anderen Märkten die kritische Masse erreicht sein, so kann darüber nachgedacht werden, weitere Produktionsstätten zu eröffnen. Aktuell decken wir aber den Bedarf mit den bestehenden Ressourcen und planen keine Aktivitäten in diese Richtung.
Sie haben eine ganz eigene, eigenwillige Vermarktungsstrategie. Was bedeuten Ihnen gute Beziehungen und könnte sie tatsächlich mehr bewirken, als noch so gute Werbung?
Sehen Sie, man kann immer nur so gut verkaufen wie es der eigene Ruf erlaubt. An diesem guten Ruf arbeiten wir seit 320 Jahren und haben unsere Position als Hoflieferant der Königshäuser in die Neuzeit übertragen und zelebrieren unsere Produkte durch verschiedene Aktivitäten wie zum Beispiel unser vielfältiges Sponsoring, unseren Kalender oder die Lambertz Monday Night. Dies ist Werbung à la Lambertz und der Erfolg gibt uns Recht mit dieser Strategie.
Ein nützlicher Nebeneffekt dieser Aktivitäten, aber auch unseres weltweiten Charity-Engagements, sind gute Beziehungen zu vielen prominenten Menschen, mit denen wir auch die Lambertz Produktwelt zelebrieren.
Sie senden Politikern und VIPs dieser Welt gelegentlich Ihre Visitenkarte in Form kleiner Kostproben Ihrer Köstlichkeiten. Haben sie sich schon erkundigt, bei welchen Produkten Barack Obama nicht widerstehen könnte?
In der Tat verschicken wir unsere Produkte an viele Politiker und VIPs dieser Welt und auch daraus haben sich schon viele gemeinsame Aktivitäten ergeben. Gerade konnte ich anlässlich des Deutschen Nachhaltigkeitspreises mit Prince Charles in Berlin über die Chancen von Bio-Gebäcken diskutieren.
Lambertz hat in den letzten Jahrzehnten alle US-Präsidenten mit seinen Produkten beliefert und ich bin mir sicher, dass wir auch den Geschmack von Barack Obama und seiner Familie treffen werden.
Das Gespräch führte Ursula Pidun
Alle Photos: Lambertz GmbH Co. KG; Animation: SPREEZEITUNG
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