Ursula Pidun


Glosse: Gibt es ein Recht auf Dummheit?

"Das Recht auf Dummheit gehört zur Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit", wusste schon Mark Twain. Dumm nur, dass sich die Frage nach dem Recht auf Dummheit nicht so ganz leicht und vor allem wenig eindeutig beantworten lässt. Denn bisher wurde weder bewiesen noch katalogisiert, was zum Bereich "Dummheit" tatsächlich zählt. Eine Glosse von Ursula Pidun.

Nicht erst seit Thilo Sarrazins verquirlten Thesen zu Deutschlands Dummheits-Unterwanderung steht die Frage im Raum, ob es etwa ein Recht auf Dummheit gibt. Besonders jene, die sich für alles andere als dumm halten, jagen der Dummheit oftmals eilfertig hinterher. Dumm nur, dass sich die Frage nach dem Recht auf Dummheit nicht so ganz leicht und vor allem wenig eindeutig beantworten lässt.

Das liegt dummerweise nicht an der Dummheit selbst, sondern an deren Interpretation. Zweifelsfrei wurde bisher weder bewiesen noch katalogisiert, was zum Bereich „Dummheit“ tatsächlich gezählt werden darf. Allein mit einer gehörigen Summe an Wissen und Intelligenz ist der Zenit der Schlauheit wohl noch nicht erreicht. Es gehört schon noch dazu, was der Glückliche daraus macht, der über derlei Begehrliches verfügt. Das Sprichwort: „Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln“, veranschaulicht dies treffsicher und erklärt so einige, ansonsten unplausible Karrieren. Manch einer glaubt zwar, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Doch heraus kommt pure Dummheit.

Was nicht eindeutig schabloniert werden kann, lässt sich am Ende auch nicht eindeutig behaupten. Sogar Intelligenztests sind umstritten und manch ein seriöser Wissenschaftler glaubt, dass sie Vorurteile noch verfestigen. Es bleibt daher bei der rein subjektiven Annahme, dieses oder jenes oder dieser oder jener sei dumm. Das ist ziemlich dumm, nicht wahr? Ist es beispielsweise dumm oder klug, wenn vermeintlich clevere Banker mit üblen Zockerspielchen am Derivate-Markt ganze Volkswirtschaften vor die Wand fahren? Und ist es Dummheit oder Klugheit, wenn Finanzinstitute, die tief in solche Machenschaften involviert sind, durch immense Zuwendungen an Steuergeldern noch belohnt werden?

Bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer dumm ist, der sich mit Dumpinglöhnen abspeisen lässt und trotz Vollzeitjob zum Amt rennen muss, tritt zu Tage, wie vielschichtig der Themenkomplex rund um Dummheit sein kann. Einerseits ist es selbstverständlich reine Dummheit, Ausbeutern menschlicher Arbeits-Ressourcen durch Verweigerung nicht das Handwerk zu legen. Anderseits haben Empfänger von Niedrig(st)löhnen keine andere Wahl als dumm zu handeln, weil sie sich sonst schnell mal im Obdachlosen-Asyl wiederfinden. Teilweise dumme Sozialgesetze machen es möglich.

Fremdenfeindlich gesonnene Zeitgenossen machen Dummheit anhand unterschiedlicher Nationalitäten fest. Wenn aufgrund der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit vermeintlich zu viele Rumänen, Bulgaren oder sonstige waschechte Europäer ins Ländle kommen, dann wird Deutschland ganz dumm und dazu noch ausgebeutet, meinen begnadete Migrationsexperten. Das ist eindeutig dumm, obwohl es nicht wenige Deutsche gibt, die diese krude These für recht intelligent halten. Während die einen applaudieren, schauen jene relativ dumm aus der Wäsche, die für ihre makaberen Randgruppen-Thesen angegriffen werden. Noch ein Beispiel dafür, wie schwierig es mit der Dummheit kommen kann.

Die Schlauen unter uns wollen natürlich, dass es im Land möglichst wenige Dumme gibt. Nur so gibt es Schübe in Forschung und Entwicklung, nur so klappt es mit einer größtmöglichen Ausbeute im Bereich „Humankapital“. Und nur so sprudeln die Steuern auch weiterhin kräftig in die Kassen. In Deutschland muss es wenig Dummheit geben, denn die Steuereinnahmen fluten von Jahr zu Jahr in immer höheren Dimensionen – sogar in diesen vermeintlichen Krisenzeiten. Dass sich dieses Land zu einem der reichsten der Welt mausern konnte, ist garantiert nicht das Ergebnis von ausschweifender Dummheit.

Dennoch sorgt sich alle Welt um Bildung. Sie soll die dumme Dummheit verhindern. Und so verordnen die Klugen des Landes (oder jene, die sich dafür halten) den vermeintlich Dummen Bildung. Dumm nur, dass es ein Recht auf Dummheit gibt. Zumindest in Demokratien. Mehr, als politische Rahmenbedingungen zu schaffen, ist an Szenarien der Fremdbestimmung und Einflussnahme nicht drin. Es wäre also schlichtweg Dummheit, anzunehmen, man könne staatlich verordnen, dass der Einzelne klug sein soll. Viele Experten in Sachen Dummheitsbekämpfung stellen sich dumm und tun so, als dürften sie genau dies. Das passiert, wenn vermeintlich Kluge in Wahrheit dumm sind. Es ist schon ein Kreuz mit der leidigen Dummheit. Doch wir alle haben ein Recht auf sie.

One Response to Glosse: Gibt es ein Recht auf Dummheit?

  1. Nikodemus at 0:17

    Ist es Klug wenn ich als Hartz4 Aufstocker fuer einen internationalen Konzern arbeite der Milliardengewinne einfaehrt? Ist es klug, wenn der Staat sich mit einer Billion bei den selben Konzernen verschuldet, die er aus den Sozialkassen beschenkt? Herr, gib mir Klugheit!

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