Euro-Krise, ESM und Fiskalpakt – Interview mit Wolfgang Bosbach (CDU)
Kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause dreht sich sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat noch einmal alles um die Euro-Krise. Kommt sie nach den Abstimmungen zu ESM und Fiskalpakt nun endlich zur Ruhe? Wir haben nachgefragt. Im Gespräch mit Wolfgang Bosbach (CDU).
Kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause dreht sich sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat noch einmal alles um Euro-Krise, ESM und Fiskalpakt. Bundestagsabgeordnete und Ministerpräsidenten werden am kommenden Freitag namentlich über den europäischen Fiskalpakt sowie den Euro-Rettungsschirm abstimmen. Wird es nun endlich ruhiger in Sachen Euro-Rettung? Was ist von Volksentscheiden zu halten, die derzeit in der Debatte stehen und den Weg zu einer Verfassungsänderung freimachen? Wir haben nachgefragt. Im Gespräch mit Wolfgang Bosbach (CDU), Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages.
Herr Bosbach, im vergangenen Jahr haben wir mit Ihnen ein Interview zur damaligen erneuten Erweiterung des Euro- Rettungsschirmes geführt. Damals äußerten Sie, dass auch dieser erweiterte Rettungsschirm nicht groß genug sein wird, wenn weitere EU-Länder Hilfe benötigen. Nun ist es sozusagen soweit?
Ja, und leider war diese Entwicklung auch zu erwarten. Mit immer größeren Rettungsschirmen kaufen wir uns vielleicht etwas Zeit, aber die Ursachen der Krise werden dadurch nicht nachhaltig bekämpft. Im Gegenteil, tendenziell sind die Sorgen eher größer geworden. Das zeigt zum Bespiel die Lage in Spanien.
Als weitere Maßnahmen kommt es nun zu einem europäischen Fiskalpakt sowie einem dauerhaften Rettungsschirm ESM. Was halten Sie von diesen Instrumenten?
Dem Fiskalpakt stimme ich gerne zu, denn er hat ja den Zweck die EU-Staaten zu strikter Haushaltsdisziplin zu verpflichten, um eine Überschuldung zu vermeiden. Der ESM hingegen ist jedenfalls für mich nicht zustimmungsfähig. Nicht nur wegen der enormen und dauerhaften Ausweitung des Haftungsrisikos für unsere Steuerzahler, sondern auch weil wir das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Euro-Staaten für die Folgen ihrer eigenen finanzpolitischen Entscheidungen endgültig aufgeben. Faktisch wird damit aus der Währungsunion eine Haftungsunion und am Ende wird dann eine Transferunion entstehen.
„Dauerhaft“ in Hinblick auf den ESM bedeutet, dass solvente Staaten auf nicht absehbare Zeit und verpflichtend finanzielle Hilfe bieten müssen?
Der ESM-Vertrag ist nicht befristet und er enthält auch keine Austrittsklausel. Ja, wir werden uns auf Dauer verpflichten. Die Folge wird sein, dass gerade Deutschland strikt sparen muss, um auf Dauer rettungsfähig zu sein. Verlieren wir unsere Rettungsfähigkeit gerät die ganze ESM- Konstruktion schnell ins Wanken.
Ist eine solche „Versicherung“ für taumelnde EU-Staaten in Ihrer Sicht eine realistische Chance, wieder auf die Beine zu kommen?
Der ESM hat in erster Linie den Zweck, den Problemstaaten in der Euro-Zone die Aufnahme neuer Schulden zu erleichtern. Mehr Schulden lösen aber keine Probleme. Im Gegenteil, die zu hohe Schuldenlast ist ja gerade das Problem. Ohne durchgreifende Strukturreformen in diesen Ländern hält der ESM allenfalls temporär, auf Dauer aber nicht.
Welche Gefahren birgt der aktuelle ESM für jene, die sozusagen Geber sind? Es handelt sich ja durchaus um beträchtlich hohe Summen, die mit Inkrafttreten des ESM zugesichert sind?
Mit jeder Ausweitung des Haftungsvolumens innerhalb der Euro-Zone steigt ja nicht nur die Abhängigkeit der Problemstaaten von den Bürgen, sondern auch umgekehrt! Rustikal formuliert: Schuldest du der Bank 10.000 Euro, hast du ein Problem. Schuldest du aber 10 Millionen Euro, dann hat die Bank ein Problem! Jedenfalls bei Leistungsunfähigkeit des Schuldners.
Ist das Regelwerk in der jetzigen Form und unter Berücksichtigung der möglichen Risiken überhaupt zustimmungsfähig?
Für die überwältigende Mehrheit meiner Fraktion des Deutschen Bundestages ja, für mich persönlich nicht. Je mehr ich mich in den letzten zwei Jahren mit dem Thema Staatsschuldenkrise und ihren Ursachen beschäftige, desto größer wird die Skepsis.
Welche Alternativen zum ESM könnte es geben?
Zunächst dürfen EFSF und ESM nicht parallel laufen, jedenfalls nicht für längere Zeit. Darüberhinaus brauchen wir klare Regeln für den Fall, dass ein Land mangels Wirtschaftskraft dauerhaft nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft zu finanzieren. Nicht, weil wir eine Staatsinsolvenz wollen, sondern weil man im Falle des Falles gewappnet sein muss. Und wir brauchen automatische Sanktionen bei Verstößen gegen die Stabilitätsregeln. Keine halb – oder quasiautomatische, sondern vollautomatische Sanktionen. Solange über Sanktionen weiter politisch verhandelt wird, ändert sich nichts.
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Sehr geehrte Damen und Herren, dem klugen und besonnenen Herrn Bosbach ist voll und ganz zuzustimmen, auch wenn er natürlich leicht von der CDU-Fraktionsmeinung abweichen kann, da ja schon klar ist, dass die Bundestagsmehrheit überwältigend sein wird. Ich wünsche mir, dass Herr Bosbach nach dem selbstverschuldeten Crash unserer Volkswirtschaft in den nächsten Jahren eine führende Rolle beim Wiederaufbau eines funktionierenden Staatswesens spielt, denn die aktuelle Politik (Regierung und Rot-Grün!) fahren den Wagen unabhängig vom Ausgang der nächsten Bundestagswahl sowieso vor die Wand. Vielleicht helfen ja einige turbulente Erfahrungen mit den ersten echten Finanzproblemen seit 1949 in den nächsten Jahren, dass mal wieder etwas mehr Vernunft in die Politik einzieht.
Kundgebung der Freien Wähler am Samstag, 30. Juni 2012, ab 12:00h in Karlsruhe (Friedrichsplatz) mit den Professoren Hankel, Nölling, Schachtschneider, Dr. Bandulet und dem ehemaligen Syndikus der Dresdner Bank, RA Dr. Wolfgang Philipp
Details zur Veranstaltung:
http://fortunanetz-forum.xobor.de/t85f2-Verfassungsbeschwerden-gegen-EFSF-und-ESM.html#msg1152